Gedanken für den Tag

von Wolfgang Treitler, Theologe und Judaist: Schalom Ben-Chorin - ein Brückenbauer zwischen Juden und Christen. Zu seinem 100. Geburtstag (am 20. Juli). Gestaltung: Alexandra Mantler

Vor einhundert Jahren, am 20. Juli 1913, wurde Schalom Ben-Chorin geboren. Er hat sich mit wichtigen christlichen Gestalten beschäftigt, um deren jüdische Herkunft sichtbar zu machen.

Eine solche Gestalt war Jesus von Nazareth. Was er sagen wollte, hat er vielfach in Gleichnissen gesagt. Ben-Chorin hat sich besonders mit einem Gleichnis beschäftigt, mit dem Gleichnis vom Barmherzigen Vater im Lukasevangelium. Es erzählt davon, dass der jüngere der beiden Söhne mit dem Erbe fortgezogen und gebrochen schließlich zum Vater zurückgekehrt ist; im Vaterhaus empfängt ihn nicht nur die Liebe des Vaters, sondern auch der Zorn des älteren Bruders.

Im Christentum wurde dieses Gleichnis oft als eine Geschichte der Ablösung des Judentums durch das Christentum ausgelegt. Der ältere Sohn wäre das Judentum, das es nicht erträgt, dass die Liebe des Vaters dem Sohn gilt, der aus der Heidenwelt kommt, wo man Schweine hütet und sich vielfach vergnügt.

Schalom Ben-Chorin widerspricht dieser antijüdischen Deutung. Sie gehörte nicht zu Jesus, sondern war Angelegenheit späterer Entwicklungen, die ihn seinem Volk entfremdet hatten - das aber gibt dem Gleichnis einen ganz neuen Sinn. Ben-Chorin schreibt: "Er selbst, der Erzähler dieses Gleichnisses, wurde, freilich ganz wider seinen Willen, der ,Verlorene Sohn Israels'. Fast zwei Jahrtausende weilte er in der Fremde . Nun aber scheint es so, als ob der Prozess der Heimholung Jesu in das jüdische Volk begonnen habe. Er kehrt zurück in das Vaterhaus, und da soll sich der ältere Bruder mitfreuen, denn dieser unser Bruder Jesus war für uns tot und ist wieder lebendig geworden. Er war für uns verloren und ist wiedergefunden worden."

Wer also Jesus ist, das lässt sich nur aus seiner Zugehörigkeit zu seinem Vaterhaus erschließen, zu Israel.

Service

Buch, Schalom Ben-Chorin, Bruder Jesus. Der Nazarener in jüdischer Sicht, dtv
Buch, Schalom Ben-Chorin, Mutter Mirjam. Maria in jüdischer Sicht, dtv
Buch, Schalom Ben-Chorin, Paulus. Der Völkerapostel in jüdischer Sicht, dtv
Buch, Verena Lenzen, Schalom Ben-Chorin: Ein Leben im Zeichen der Sprache und des jüdisch-christlichen Gesprächs, Verlag Hentrich & Hentrich

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: George Perlman/1897-2000
Album: VON UNGARISCHER UND JÜDISCHER SEELE - Duo EDAN
* Fantasie-Recitative - Vigorously - 3.Satz (00:04:23)
Titel: Israeli Concertino für Violine und Klavier in a-moll
Ausführende: Duo EDAN
Ausführender/Ausführende: Édua Zádory /Violine
Ausführender/Ausführende: Anastasiia Dombrovska /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: Gramola 98955

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