Gedanken für den Tag

von Johanna Schwanberg, Kunstwissenschafterin und Direktorin des neu konzipierten Wiener Dommuseums mit der Sammlung Otto Mauer. "Liebe zu den Dingen". Zum 50. Todestag von Georges Braque. Gestaltung: Alexandra Mantler

Ockerfarbene würfelartige Objekte, die an Häuser erinnern. Dazwischen grüne belaubte Bäume - links im Vordergrund ein mächtiger graubrauner Baumstamm mit einem blätterlosen Geäst. Auffallend an dem Bild ist der unglaubliche, nahezu musikalische Rhythmus. "Häuser in L´Estaque" nennt sich das Ölgemälde, das der französische Maler Georges Braque rund um das Jahr 1908 gemalt hat. An sich kein ungewöhnliches Motiv, zeigt es doch ein Fischerdorf an einem Hang in der Nähe von Marseille. Aber die Art und Weise, wie vereinfacht diese Landschaft dargestellt ist, hat das Bild als eines der Hauptwerke der Moderne in die Kunstgeschichte eingehen lassen.

Georges Braque hat mit Bildern wie diesem vollkommen neue Wege in der Kunst eingeschlagen. Das war ein ungemein mutiger Schritt. Er selbst hat besonders das Prozessartige an der Entstehung eines Kunstwerks hervorgehoben, indem er sagte: "Es darf keine vorgefasste Meinung dabei sein, das Bild ist jedes Mal ein Abenteuer. Wenn ich die weiße Leinwand in Angriff nehme, weiß ich nie, was daraus entstehen kann. Das ist ein Risiko, das man auf sich nehmen muss."

Das Ungewisse interessiert mich berufsbedingt an künstlerischen Schaffensprozessen. Wenn George Braque diesen ratlosen Moment vor einer weißen Leinwand beschreibt, so charakterisiert er dabei aber nicht nur die Ungewissheit in Zusammenhang mit der Entstehung eines Kunstwerks. Vielmehr benennt er ein wesentliches Moment des Lebens überhaupt. Das sich Einlassen auf den Augenblick, ohne genau zu wissen, was kommen wird. Mir ist es in letzter Zeit oft so gegangen. Ob es bei dem abrupten Schulwechsel meines Sohnes war oder bei dem Entschluss, die Leitung eines Museums zu übernehmen.

Entscheidungen, die mit dem Risiko auch zu scheitern verbunden sind. Gerade meine Auseinandersetzung mit Avantgarde-Künstlern wie Braque zeigt mir aber immer wieder, dass der Mut, vorgezeigte Wege zu verlassen, die einzige Möglichkeit ist, als Mensch lebendig zu bleiben.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Igor Strawinsky/1882 - 1971
Titel: Konzert für 2 Klaviere
* Notturno, adagietto - 2.Satz (00:04:31)
Klavierkonzert
Solist/Solistin: Katia Labeque /Klavier
Solist/Solistin: Marielle Labeque /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: Philips 4208222

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