Gedanken für den Tag

Von Michael Bünker, Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Österreich. "Aus dem Leben eines Erzengels". Gestaltung: Alexandra Mantler

In Michael Glawoggers Gruselkomödie "Die Ameisenstraße", die die Geschichte eines Wiener Zinshauses und seiner Bewohner auf skurril tragikomische Art erzählt, wird auf gut Wienerisch, das heißt derb, gesungen: "A Engerl wirst langsam, nua a Oaschloch bist schnell".

Ob langsam oder nicht: Werden Menschen je zu Engeln? Es ist unbestreitbar, dass Menschen, die Notleidenden helfen, Mutter Teresa zum Beispiel, oder Elsa Brandström ihnen wie Engel erscheinen. Sogar organisierte Pannenhilfe ist mit Engeldiensten verglichen worden. Oder dass Liebende, die einander das Leben zum Himmel auf Erden machen, füreinander wie Engel sind. Aber das sind nur Bilder. Der pietistische Pfarrer und Dichter Johann Mentzer schrieb 1704 in einem Kirchenlied: "Ach nimm das arme Lob auf Erden, mein Gott, in allen Gnaden hin. Im Himmel soll es besser werden, wenn ich ein schöner Engel bin." Also doch: Menschen werden zu Engeln und schön noch dazu, spätestens nach dem Tod.

Aber gegen den Vers erhob sich scharfe Kritik. Und sie setzte sich durch und heute heißt es nicht mehr "wenn ich ein schöner Engel bin", sondern: "wenn ich bei deinen Engeln bin". Ich denke, das ist entlastend. Menschen sollten genug damit zu tun haben, wirklich Menschen, von Menschlichkeit geprägt zu sein und der Erde treu bleiben. Nicht nach dem Himmel greifen und sich und andere damit zu überfordern. Um den Beistand der Engel kann Gott gebeten werden und es gehört zu den ganz tiefen Erfahrungen, sich dieses Beistands gewiss zu sein.

Dietrich Bonhoeffer hat seinen Glauben ganz in der Diesseitigkeit der Welt gelebt. Und aus dieser Glaubenshaltung geht er in den aktiven Widerstand gegen Adolf Hitler und den Naziterror. Im April 1943 wird er verhaftet und zwei Jahre später - knapp vor der Befreiung - im KZ Flossenbürg getötet. Zu Weihnachten 1944 schreibt er ein Gedicht, das heute als Liedtext weit verbreitet ist: "Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag." Weil er ganz auf die Zuwendung Gottes vertraute, wusste sich Bonhoeffer von den guten Mächten, den Engeln, geborgen. Nein, er wollte selbst kein Engel und kein Heiliger werden. Für ihn waren es nur noch zwei Dinge, die das Christsein heute ausmachen: Das Gebet und das Tun des Gerechten.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Georg Friedrich Händel/1685 - 1759
Album: HÄNDEL: TRIOSONATEN
* Andante - 1.Satz (00:04:10)
Titel: Sonate für 2 Violinen und B.c. in g-moll HWV 393
Ausführende: The English Concert /Mitglieder
Ausführender/Ausführende: Simon Standage /Violine
Ausführender/Ausführende: Micaela Comberti /Violine
Ausführender/Ausführende: Anthony Pleeth /Violoncello
Ausführender/Ausführende: Trevor Pinnock /Cembalo
Länge: 02:00 min
Label: DG 4154972

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