Gedanken für den Tag

Von Johanna Schwanberg, Kunstwissenschaftlerin und Direktorin des Wiener Dommuseums. "Kunst verändert das Leben" - Zum 40. Todestag des Dompredigers und Kunstförderers Otto Mauer

"Kunst verändert den Menschen - sie verändert das Leben". Eine starke Ansage, die dem künstlerischen Schaffen eine unglaublich positive Kraft zuschreibt. Otto Mauer, der heute vor 40 Jahren starb, hat sie in seiner Rede über den deutschen Künstler Joseph Beuys getätigt. Als Kunstwissenschaftlerin gefällt mir dieser Glaube an das verändernde Potential von Kunst. Obwohl ich mitunter auch meine Zweifel habe, ob Kunst das leisten kann, was oft an Hoffnung seitens der Gesellschaft in sie gesetzt wird.

Gerade Otto Mauers später Dialog mit dem Beuys'schen Werk zeigt, dass die Beschäftigung mit Kunst, zumindest die eigenen Grenzen und den eigenen Denkhorizont, ständig erweitern kann. So begeistert mich beim Durchsehen seiner Sammlung, dass Otto Mauer nie stehen geblieben ist. Waren es in der Frühzeit die klassische Moderne und die Neulandkünstler, später vor allem die österreichischen Informellen wie Rainer, Mikl, Prachensky und Hollegha, so kam schließlich in den letzten Jahren vor seinem Tod das Interesse für den deutschen Aktions- und Objektkünstler Joseph Beuys hinzu.

Ein Beuys-Blatt in der Sammlung Otto Mauer hat es mir besonders angetan. Es nennt sich die "Quelle" und stammt aus dem Jahr 1949. Die Grafik setzt sich aus rostfarbenen Flecken und Linien zusammen. Man hat den Eindruck, als hätten Blutreste und andere organische Säfte Spuren auf einem vergilbten Papier hinterlassen. Ich weiß nicht genau, was die einzelnen Formen meinen. Aber der organische Charakter und das Ineinanderfließen von Flecken und Linien sind berührend. Sie ergeben mit dem Titel "Quelle" ein stimmiges Ganzes, in dem Fragen nach dem Ursprung der menschlichen Existenz anklingen.

Dem Domprediger und Kunstförderer hatte es das Beuys'sche Bekenntnis zu armen, unprätentiösen Materialien - "zu verfaultem Holz, zur gewöhnlichen Seife" - angetan. Für Otto Mauer hatte dies in höchstem Maße mit Religion zu tun: So meinte er: "Es ist also das Spirituelle und nicht das Material, das die Kunst ausmacht."

Service

Dom- und Diözesanmuseum Wien

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Francis Poulenc/1899 - 1963
Album: FRANCIS POULENC - KAMMERMUSIK FÜR BLASINSTRUMENTE
* Allegro malinconico - 1.Satz (00:04:32)
Titel: Sonate für Flöte und Klavier
Solist/Solistin: Charles Wadsworth /Klavier
Solist/Solistin: Paula Robinson /Flöte
Länge: 02:00 min
Label: Erato ECD 88044

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