Gedanken für den Tag

22. Oktober 2013, 06:56

Am liebsten hätte Ernst Barlach das Wort GOTT "unter Naturschutz" gestellt, "das Wort ist zu groß für meinen Mund", lässt er eine seiner Dramen-Gestalten sagen. Zugleich ist es so verloren in einer Gesellschaft des "Habeglücks", die nichts vom "Gebeglück" wissen will.

In rührend-naiver Weise verleiht er in der Holzschnittserie "Wandlungen Gottes" aus dem Jahr 1921 dem Schöpfergott am siebenten Tag seine eigenen - Barlachs - Züge. Da sitzt er, zum Ausruhen müde, nicht so sehr von der Sechstagearbeit, sondern von der unermüdlichen Suche nach dem Menschen und nach der Menschlichkeit.

Immer wieder ist die Rede ja vom "Gottsucher Barlach", das hat ihm selber überhaupt nicht gefallen, er hat es als anmaßend empfunden. Hier, in den Holzschnitten der "Wandlungen Gottes", sitzt, wenngleich müde, der wahre Sucher, der "Barlachsucher" Gott. Glauben heißt also auch, es Gott nicht allzu schwer zu machen, sich von ihm finden zulassen.

"Glaube ist Wohltat, Glück und Gnade", schreibt Barlach an Pastor Schwarzkopf, den mutigen Domprediger von Güstrow, "aber niemals das Ergebnis eines Willensaktes, eines Zuspruchs oder von Ermahnungen." Bereits zwanzig Jahre früher, während des Krieges, schreibt er im Güstrower Tagebuch: "Gott ja, sich freuen ist die größte Frömmigkeit, denke ich oft. Ich rechne es mir so an, dass ich im letzten Grunde dankbar bin und Vertrauen habe, worin? Ins Ganze, ins Allgemeine, in das Geheimnis des Daseins, mein Schöpfervater mag mich missliebig ansehen, aber doch, ich danke ihm im Innersten. Wie einmal das Rätsel auch aufgeht, es muss gut sein."

Diese Gelassenheit spricht aus einer der schönsten Skulpturen Barlachs: Ein junger Mann sitzt mit geschlossenen Augen, in gespannter Hingabe - und singt.

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