Da capo: Im Gespräch

Renata Schmidtkunz spricht mit Egon Bahr, Politiker und ehem. Mitarbeiter von Willy Brandt

Er war über viele Jahre Willy Brandts engster Mitarbeiter - und er war sein engster Freund: Egon Bahr, geboren 1922 in Thüringen, aufgewachsen in Sachsen Anhalt und Berlin. Schon in der Schule, schreibt Bahr in seinen 1996 erschienenen Memoiren mit dem Titel "Zu meiner Zeit" sei er "stolz gewesen, Preuße zu sein, obwohl die Provinz Sachsen- Anhalt hieß". Viele Jahre später, in jenen Jahren der von Willy Brandt eingeleiteten Entspannungspolitik zwischen Ost und West, die Egon Bahr wie kein anderer mitgestaltet, nannte ihn Henry Kissinger einen deutschen Nationalisten. Er selbst bezeichnet sich als deutschen Patrioten - und das bedeutet für ihn, sich für ein gutes und friedliches Leben in seiner Heimat einzusetzen. Seine Zusammenarbeit mit Willy Brandt, dem aus dem norwegischen Exil zurückgekehrten Sozialdemokraten, begann 1960 und endete eigentlich erst mit Brandts Tod im Jahr 1992. Und auch das stimmt nicht, denn bis heute arbeitet Bahr unermüdlich im Willy-Brandt-Haus in Berlin, hält die Erinnerung an Brandt wach und schaltet sich in den aktuellen politischen Diskurs ein. Im Laufe seines politischen Lebens hatte er hochrangige Positionen in den Kabinetten von Brandt und dessen Nachfolger Helmut Schmidt als Staatssekretär und Bundesminister inne und war von 1976 - 81 auch Bundesgeschäftsführer der SPD. Doch viel wichtiger war, wie er sein ungeheures diplomatisches Geschick über Jahrzehnte zugunsten der deutsch-deutschen Wiedervereinigung und der europäischen Entspannungspolitik einsetzte. Er kannte alle "Großen" der internationalen und politischen Bühne seiner Zeit - und sie kannten ihn: J.F.Kennedy, Leonid Breschnew, Indira Ghandi, Michael Gorbatschow, Richard Nixon und Nachfolger, Francois Mitterand, Andrei Gromyko, Nelson Mandela, um nur einige zu nennen. Über sein Leben geben seine Bücher detailliert Auskunft. Was sich erst im persönlichen Gespräch erschließt sind seine wachen Augen, seine Bescheidenheit, sein Interesse an allem, was passiert, seine sanfte Freundlichkeit und sein respektvoller Umgang.

Service

Egon Bahr, "Zu meiner Zeit", Autobiographie, München 1996

Egon Bahr, "Willy Brandts europäische Außenpolitik", Schriftenreihe der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung, Heft 3, Berlin 1999

Egon Bahr, "Deutsche Interessen: Streitschrift zu Macht, Sicherheit und Außenpolitik", München 2000

Egon Bahr, "Der deutsche Weg: Selbstverständlich und normal", München 2003

Egon Bahr, "Plädoyer für eine transatlantische Arbeitsteilung". In: Thomas Jäger, Alexander Höse, Kai Oppermann (Hrsg.): "Transatlantische Beziehungen. Sicherheit - Wirtschaft - Öffentlichkei", VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2005

Egon Bahr, "Ostwärts und nichts vergessen! Kooperation statt Konfrontation", VSA-Verlag, Hamburg 2012

Egon Bahr, "Das musst du erzählen" - Erinnerungen an Willy Brandt, Propyläen Verlag, Berlin 2013

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