Gedanken für den Tag

von Hubert Gaisbauer, Publizist und Kunstexperte. "Nicht Meißeln und nicht Malen verschafft Seelenfrieden" - Zum 450. Todestag von Michelangelo Buonarroti. Gestaltung: Alexandra Mantler

Fünfzig Jahre nach Vollendung von Michelangelos Pietà von Sankt Peter hat man in Florenz eine Kopie dieses Meisterwerks aufgestellt und hat damit eine heftige Polemik - nicht nur gegen ihn - losgetreten. Es ging um die Rechtgläubigkeit von sakraler Kunst, in einem Pamphlet war zu lesen: "Diese Pieta ist eine Erfindung Michelangelos ... dem es nur um die Schönheit, nicht aber um die Frömmigkeit zu tun ist. Wehe, dass alle Maler und Bildhauer von heute in den gottgeweihten Kirchen nichts anderes mehr malen und meißeln als Gestalten, die den Glauben und die Frömmigkeit untergraben. Möchte doch Gott eines Tages seine Heiligen senden, Götzenbilder wie diese von der Erde wegzufegen."

Solche Worte hatte man zuletzt von Savonarola gehört, der Bilder verbrennen ließ, wenn sie "der Augenlust" dienten. Wenige Jahre später, 1566, werden solche Worte zu Parolen der Bilderstürmer, deren dumpfer Rigorismus die Schönheit von Andachtsbildern nicht ertragen konnte.

War es eine späte Folge dieses Hasses auf das Schöne, dass gerade Michelangelos Pietà im Laufe der Jahrhunderte mehrmals Opfer von Vandalismus und Attentaten geworden ist und wir sie heute nur mehr durch Panzerglas betrachten dürfen? War Michelangelo sein eigener Prophet, wenn es im 85. Fragment seiner Dichtungen heißt:
Entzücken hegen wird jeder Geist, dem Schönheit alles gilt.
Wenn böse Zeiten roh und wild
Das Bild zerbrechen unter rohen Schlägen,
wird nur noch Erinnerung noch seine Schönheit pflegen......"

Warum nur meinen die Bilderstürmer aller Zeiten, Gott wäre das Schöne ein Dorn im Auge? Als wäre der Herr nicht ein Hirte, der seine Schafe auch gerne auf der "Augenweide" grasen lässt!

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Vincenzo Ruffo
Titel: A che cercar gli spechi
Ausführende: Accademia strumentale italiana, Leitung: Alberto Rasi
Länge: 02:00 min
Label: Stradivarius STR 33396

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