Salzburger Nachtstudio

Temperament - das Fundament der Persönlichkeit
Gestaltung: Tina Plasil und Elisabeth J. Nöstlinger

Ungeduldig zappelt die junge Frau auf ihrem Sessel hin und her, ehe die Wut aus ihr herausbricht. Sie setzt sich in Szene, schreit laut auf. Ihr gegenüber sitzt leicht geknickt eine andere Frau. Still und ruhig hört sie der Tobenden zu. In ihr rumort es auch. Doch sie nützt die Kraft der Stillen. Extrovertierte Menschen Introvertierten gegenüber zu stellen ist die krasseste Kategorisierung der Menschentypen. Die Schattierungen sind jedoch vielfältig. In der Antike sprach man von vier Temperamenten, die der griechische Anatom Galen in Choleriker, Sanguiniker, Melancholiker und Phlegmatiker einteilte. Und diese vier Typen haben bis heute Bestand. Manche Therapeut/innen benutzen sie als erste Einteilung ihrer Klienten, andere Wissenschafter/innen entwickeln diese Idee fort und ersetzen sie durch andere Charakteristika. Für sie sind die Menschen nicht mehr jähzornig, heiter, tiefsinnig oder gleichmütig sondern empfindsam, emotional reaktiv, ausdauernd, aktiv, beharrlich und schnell. Einig sind sich aber alle: Das Temperament hat einen genetischen Hintergrund, es lässt sich schon bei Babys beobachten und es ist schwierig, von einem Typ zu einem anderen zu wechseln. Temperament ist also die Basis der Persönlichkeit. Seit C. G. Jung kommt noch die grundlegende Einstellung des Menschen gegenüber der Welt hinzu. So stellt er jedem Temperamenten-Typ das Attribut introvertiert oder extravertiert zur Seite.
Dabei gilt seit langem der extravertierte Mensch als Ideal unserer Zeit. Das gesellige, risikofreudige, teamfähige, gut vernetzte Alphatier wird als kompetent, sympathisch, klug und meist besser aussehend wahrgenommen. Das Geheimnis des Erfolges ist, sich präsentieren und verkaufen zu können. Der laute Mensch ist der/die ideale Anführer/in in Politik und Wirtschaft. Oder nicht? In den vergangenen Jahren wird immer öfter die Kraft der Stillen geschätzt. Schließlich muss der bessere Redner nicht die besseren Ideen haben und Introvertierte haben spezielle Führungsqualitäten. Sie führen anders als Extravertierte, nicht besser. So einfach ist die Einteilung dennoch nicht. Umwelt, Erziehung und Erfahrungen tun noch manches dazu. Und das formt über das angeborene Temperament hinaus unsere Persönlichkeit und unseren Charakter.

Service

InterviewpartnerInnen
Raphael Bonelli, Psychiater, Wien
Jan Strelau, Psychologe Warschau
Sylvia Löhken, Sprachwissenschafterin, Wissenschaftsmanagerin, Bonn
Gilbert Dietrich, Manager
Susan Cain, Coach USA

Susan Cain: Still - Die Kraft der Introvertierten, Goldmann Verlag 2013
Sylvia Löhken: Leise Menschen - starke Wirkung. Wie Sie Präsenz zeigen und Gehör finden, Gabal-Verlag 2012
Jan Strelau: Temperament. A Psychological Perspective, Springer Verlag 1998
Jerome Kagan: Galen's Prophecy. Temperament in Human Nature, Westview Press 1997
Raphael M. Bonelli: Selber schuld! Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen, Pattloch Verlag 2013

Geist und Gegenwart

Sendereihe