Radiokolleg - Die exhibitionistische Gesellschaft

Lust und Zwang zur Selbstdarstellung (3).
Gestaltung: Gerhard Pretting

Die Selbstpräsentation war für den Einzelnen wohl noch nie so wichtig wie heute. Das Selfie - das Selbstporträt, das man mit Digitalkamera oder Smartphone von sich selbst macht - ist wohl Signum unserer Zeit. Man will sich selbst zeigen - und vor allem will man gesehen werden.

Diese Sehnsucht nach dem Sichtbarsein kann man in allen gesellschaftlichen Bereichen ausmachen. In Fernsehshows und im Reality-TV zeigen sich Menschen, wie sie alltägliche und nicht so alltägliche Dinge erledigen. Und haben keine Scheu davor, sich vor Millionen Zusehern lächerlich zu machen. Im Wohnbau boomen Häuser mit riesigen Glasfronten. Damit nur jeder der Familie beim Leben zusehen kann. Und auch der Körper - bis vor einigen Jahrzehnten noch schamvoll verhüllt - ist heute Präsentations- und Repräsentationsfläche. Die antrainierten Muskeln und die Tatoos macht man ja nicht für sich selbst. Sie sollen gesehen werden.

Die Digitalisierung unserer Gesellschaft hat den kollektiven Exhibitionismus auf eine neue Stufe gehoben. Die sozialen Netzwerke dienen dazu, das gesamte eigene Leben sichtbar zu machen. Und wahrscheinlich ist auch das ein Grund, warum die Enthüllungen rund um die NSA für so wenig Empörung sorgten.

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