Dimensionen - die Welt der Wissenschaft

Der heilige Stuhl, der heilige Rucksack.
Sakrales und Profanes in transkulturellen Verehrungskulten
Gestaltung: Marlene Nowotny

Religionen und Glaubenssysteme im Allgemeinen haben einen umfassenden Welterklärungsanspruch. Jede für sich pocht darauf, im Besitz der alleinigen, absoluten Wahrheit zu sein. Doch gerade die Heiligenverehrung zeigt, dass es hier transkulturelle und transreligiöse Überschneidungen gibt. Ein Beispiel wäre die muslimische Marienverehrung in osteuropäischen Regionen, die Vereinnahmung heidnischer Bräuche bei christlichen Festen oder die Sakralisierung von profanen Gegenständen.

Bei der Internationalen Konferenz "Heilige und Heiligkeit. Transkulturelle Verehrungskulte in epochenübergreifender Perspektive" am Institut für Osteuropäische Geschichte der Universität Wien wurde gezeigt, wie etwa weltliche Dinge, wie Stühle oder Rucksäcke, mit heiligen Energien aufgeladen und so selbst Teil religiöser Verehrung wurden. Die Konzeption von Heiligkeit braucht das Profane zwar als offensichtliches Gegenteil, um sich vom Weltlichen abzuheben. Doch gleichzeitig braucht "das Heilige" materielle Dinge, Menschen oder belebte Natur, um im Diesseits in Erscheinung treten zu können und dem Gläubigen einen "Abglanz" des Göttlichen zu vermitteln.

So kann auch der menschliche Körper zum Vehikel der religiösen Reinheit und Heiligkeit werden. Eine "Karriere" als Heilige war etwa für Frauen der Unterschicht oder ärmeren Mittelschicht im deutschsprachigen Raum des 17. und 18. Jahrhunderts eine der seltenen Chancen, zu materiellem Wohlstand und gesellschaftlicher Anerkennung zu kommen. Eine Möglichkeit, das zu erreichen, war die Verweigerung der Nahrungsaufnahme. Der anorektische Körper sollte Reinheit und Askese vermitteln. Ob diese Frauen nun als heilig, dämonisch oder krank eingestuft wurden, darüber entschieden ausnahmslos Männer - Theologen, Juristen und Ärzte.

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