Im Gespräch

"Ich liebe das Leben!" Renata Schmidtkunz spricht mit Leoluca Orlando, Bürgermeister von Palermo

33 Jahre ist er alt, mein heutiger Gast, als er 1980 für die Democratia Cristiana in den Stadtrat von Palermo gewählt wird. Fünf Jahre später wird er Bürgermeister der von Mafia und täglicher Gewalt geplagten Stadt.
Diese erste Amtszeit des damals 38-jährigen Leoluca Orlando, Doktor der Rechtswissenschaften mit einigen Studiensemestern an der Universität von Heidelberg, Professor für öffentliches Regionalrecht an der juristischen Fakultät der Universität von Palermo, seine erste Amtszeit also wird später als "Primavera di Palermo", als "Frühling von Palermo" in die Geschichte der Stadt eingehen.

Orlando, Sohn eines Juristen-Vaters und einer aus dem sizilianischen Adel stammenden Mutter, setzt alles daran, die Stadt vom Krebsgeschwür der Mafia zu befreien. Als ihn seine Herkunftspartei, die Democratia Cristiana, dabei mehr behindert als befördert, verlässt er sie 1990 und gründet die Partei "La Rete" - das Netz.
In seiner 2. Amtszeit, von 1993 bis 1998, setzt er eine Reihe von Reformen in Gang, um der Korruption, der Mafia und den dunklen Machenschaften der italienischen Politik einen Riegel vorzuschieben. Die Ermordung der beiden Staatsanwälte Giovanni Falcone und Paolo Borsellino durch die Mafia im Jahr 1994 ist ein harter Schlag, eint aber die Bevölkerung von Palermo noch stärker. Orlandos Waffen sind die Stärkung von Anti-Mafia-Gesetzen, die Konzentration auf gute Bildung für Kinder und Jugendliche und die Schaffung eines neuen kulturellen Bewusstseins. Seit Orlando 1997 das über Jahrzehnte wegen mafioser Baupolitik geschlossene Teatro Massimo renovieren und wiedereröffnen lässt, gilt dieses drittgrößte Opernhaus Europas als Symbol des Kampfes gegen die Mafia und als Zeichen der politischen und kulturellen Auferstehung Palermos. Orlando lebte jahrelang unter Polizeischutz, dass er auf der Todesliste der Mafia steht, weiß er.
Aber auch Kritik an ihm wird immer wieder laut: besonders der ermordete Staatsanwalt Giovanni Falcone bezeichnee Orlandos Kampf gegen die Mafia gerne als "reine Rhetorik" und seine - also Falcones - Arbeit behindernd.
1994 wird Orlando zum Europaabgeordneten gewählt und gehört einer Reihe von Kommissionen an.
In den folgenden Jahren hat er etliche Funktionen in der italienischen und in der europäischen Politik inne.
Seit 2006 ist er der politische Sprecher der liberalen Partei "Italia dei Valori".
Im Mai 2012 wird er mit 74% der Stimmen wieder zum Bürgermeister von Palermo gewählt.
Leoluca Orlando, Vater zweier Töchter, hat unzählige hochrangige internationale Auszeichnungen erhalten.
Neben zahlreichen wissenschaftlichen Artikel und juristischen Monografien hat er auch einige äußerst erfolgreiche Sachbücher geschrieben, die zunächst im Herder Verlag, später im Unionsverlag erschienen sind.

Service

Leoluca Orlando, "Ich sollte der Nächste sein. Zivilcourage - die Chance gegen Korruption und Terror", Herder, Freiburg 2002

Leoluca Orlando, "Der sizilianische Karren. Impressionen aus einem bewegten Leben", Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2004

Leoluca Orlando und Pippo Battaglia (Hg.), "Leoluca Orlando erzählt die Mafia", aus dem Italienischen von Udo Richter, Herder Verlag 2008

Leoluca Orlando und Ulla Steffan (Hg.), "Sizilien für das Handgepäck: Geschichten und Berichte - ein Kulturkompass", Unionsverlag 2012

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