Zwischenruf

von Superintendent Hermann Miklas (Graz)

Zwei Wirklichkeiten des Umgangs von Religionen untereinander

"Ohne Frieden zwischen den Religionen kein Friede auf Erden", lautet eine alte Weisheit. Und sie hat nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Der Wahnsinn der letzten Wochen hat es wieder gezeigt - im Irak, in Syrien, am Gaza-Streifen. (um nur einige Konfliktherde zu nennen).

In unserem eigenen Land erleben wir allerdings auch das positive Gegenteil davon. Die Repräsentanten der verschiedenen Religionsgemeinschaften in Österreich bemühen sich um ein gutes Miteinander. Wir sind zwar in vielen Sach- und Glaubensfragen absolut nicht einer Meinung, aber das hindert uns nicht daran, auf der persönlichen Ebene herzliche, ja z.T. sogar freundschaftliche Beziehungen zu pflegen. Und das ist nicht nur gespielt: Das ist wirklich echt! Ergänzt wird das Bild noch durch eine ganze Reihe von gemeinsamen Initiativen kultureller, oder auch sportlicher Natur.

Also: Wenn Österreich eine Insel wäre, auf der Menschen völlig unbeeinflusst von außen leben könnten - das offizielle Miteinander der verschiedenen Religionen könnte eigentlich kaum besser sein.

Doch: Jede in Österreich vertretene Religionsgemeinschaft steht natürlich auch in Verbindung mit ihren Glaubensgeschwistern in anderen Ländern. So pflegen wir Protestanten etwa einen lebendigen Austausch mit der Evangelischen Kirche in Deutschland, Katholiken sind in organischer Verbindung mit dem Vatikan in Rom, koptische Christen mit ihrem Papst in Ägypten, Buddhisten mit dem Dalai Lama - aber damit stehen sie auch in einer gewissen Spannung zur Volksrepublik China. Und Sie merken schon: Immer stärker kommen nun auch politische Aspekte mit ins Spiel. Juden wissen sich verbunden mit dem Staat Israel, Muslime mit der Türkei, Saudi Arabien oder Afghanistan, orthodoxe Christen mit den Patriarchaten von Konstantinopel, Serbien oder Moskau...

Jede Religionsgemeinschaft hier wird automatisch identifiziert mit Ereignissen und Entscheidungen in den genannten Ländern. Und sie muss sich dazu in irgendeiner Weise verhalten, ob sie will oder nicht. Das ist nicht immer einfach. Denn es gilt natürlich, Rücksicht zu nehmen auf persönliche Beziehungen, und sorgfältig auszutarieren zwischen den verschiedensten Richtungen innerhalb der hiesigen community - nicht zuletzt im Wissen um so manche Radikalinskys in den eigenen Reihen (siehe Bischofshofen, wo unlängst jüdische Fußballer attackiert worden sind).

Nichtsdestotrotz werden bei interreligiösen Begegnungen immer öfter kritische Worte laut auch gegenüber dem Verhalten der eigenen Glaubensgeschwister. Wenn etwa ägyptische Muslime ihre Solidarität mit drangsalierten koptischen Christen zum Ausdruck bringen, oder österreichische Juden kritische Worte zur offiziellen Politik Israels finden und Palästinenser das Verhalten der Hamas verurteilen. Oder wenn sich sogar Sunniten in aller Form von den Terror-Anschlägen der Isis-Extremisten im Irak distanzieren.

Und das geschieht - viel zu oft allerdings leider nur - hinter verschlossenen Türen, im geschützten Raum des gegenseitigen Vertrauens. Ich würde mir dafür noch eine breitere Öffentlichkeit wünschen!

Zwei Wirklichkeiten des Umgangs von Religionen miteinander - welche wird sich durchsetzen? Wird der kleine Religionsfriede in Österreich früher oder später von der weltweiten Welle der religiösen Gewalt einfach überrollt und weggespült werden? Oder könnte das verständnisvolle Miteinander hier womöglich sogar zum Modellfall für andere werden?

Ohne naiv zu sein: Ich glaube, es lohnt sich in jedem Fall, den österreichischen Weg weiter zu gehen. Denn hat der Friede, wenn überhaupt, nicht dann die besten Chancen, wenn er im Kleinen beginnt?

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