Gedanken für den Tag

19. September 2014, 06:56

Von Descartes stammt - außer seinem Beitrag zum Denkrahmen - auch der bekannte Spruch "Ich denke, daher bin ich". Ich stehe im Mittelpunkt, vom Du ist keine Rede. Der japanische Philosoph Nishitani sagt dazu, dass damit "die natürliche Welt eine tote Welt wurde, dass eine mechanistische Weltbetrachtung zum Zuge kam."

Descartes' Überlegung ist eine Momentaufnahme eines erwachsenen Mannes, der dabei verdrängt, dass er nur deshalb denken kann, weil er einmal von einer Mutter (oder einer anderen Bezugsperson) in Liebe aufgezogen wurde. Wir wissen aus einem Experiment, das Kaiser Friedrich II. im 13. Jahrhundert durchführen ließ, dass Kinder, die ganz ohne liebevolle Kommunikation aufgezogen werden, nicht überleben können. Vor dem "Ich denke" kommt also das "Ich kommuniziere" als Voraussetzung für das eigene Sein. Aber "Ich kommuniziere" setzt nicht nur mein Sein, sondern notwendig auch das Sein eines Du. Also muss es heißen "Ich kommuniziere, daher sind Wir" und zugleich "Wir kommunizieren, daher bin Ich".

Falsch wäre es, verkürzend zu sagen: "Ich kommuniziere, daher bin Ich"! Ein Mensch alleine ist noch kein Mensch. Erst durch ein Du wird ein Mensch zum Ich. Ohne diesen Widerspruch ist der Mensch nicht zu verstehen. Damit haben wir auch den mechanistischen Denkrahmen in seine Schranken gewiesen. Angelus Silesius sagt: "Ich bin kein ausgeklügelt Buch, ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch" und der japanische Philosoph Nishida, Vorläufer des erwähnten Nishitani, sagt: "Die Realität ist eine Einheit, die den Widerspruch in sich fasst." Das gilt allerdings nur, wenn wir den Menschen nicht aus unserem Bild der Realität verdrängen, in dem dann auch Liebe und Freundschaft keinen Platz mehr hätten.

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