Dimensionen - die Welt der Wissenschaft
Jähes Ende - neuer Anfang: Die Zerschlagung der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung 1938 und deren Wiederaufbau nach 1945.
Gestaltung: Sabrina Adlbrecht
25. September 2014, 19:05
Als die Nationalsozialisten 1938 in Österreich an die Macht kamen, bedeutete dies das vorläufige Ende der Psychoanalyse in Wien. Die Wiener Psychoanalytische Vereinigung (WPV), 1908 von Sigmund Freud gegründet, wurde gleich nach dem so genannten "Anschluss" aufgelöst. Die meisten ihrer überwiegend jüdischen Mitglieder konnten ins Ausland, vor allem nach Großbritannien und in die USA, fliehen. Jene Psychoanalytiker/innen, die in Lagern starben, in den Tod getrieben und ermordet wurden, waren alle jüdischer Herkunft. In England wie auch in den Vereinigten Staaten, wollten die Schwesternorganisationen der WPV den österreichischen Emigrant/innen helfen, empfanden diese aber gleichzeitig als Konkurrenz: Es kam zu Spannungen, die sowohl die britische als auch die US-amerikanische Vereinigung zu spalten drohten. In den USA hatten die Wiener Analytiker/innen jedenfalls großen Einfluss auf die Entwicklung der Psychoanalyse - etwa was die Bildung neuer Theorien und die Etablierung einer fundierten Ausbildung betraf. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges gelang es mit viel Mühe, die Wiener Psychoanalytische Vereinigung wiederaufzubauen. Von den vertriebenen Mitgliedern kehrten aber nur wenige in die alte Heimat zurück. Eine neue Blüte erreichte die Psychoanalyse in Österreich erst wieder in den 1970er Jahren. Die Sendung skizziert den Niedergang und Wiederaufbau der Institution als Erbe Sigmund Freuds und fragt nicht zuletzt nach deren Positionierung und Selbstverständnis heute, 75 Jahre nach dem Tod ihres Gründervaters.
Service
Mitchell G. Ash (Hg.): Materialien zur Geschichte der Psychoanalyse in Wien 1938 - 1945. Verlag Brandes & Apsel, Frankfurt/Main 2012
Mitchell G. Ash (Hg.): Psychoanalyse in totalitären und autoritären Regimen. Verlag Brandes & Apsel, Frankfurt/Main 2008
Thomas Aichhorn (Hg. und Komm.): Anna Freud/August Aichhorn. Die Psychoanalyse kann nur dort gedeihen, wo Freiheit des Gedankens herrscht. Briefwechsel 1921-1949. Verlag Brandes & Apsel, Frankfurt/Main 2012
Johannes Reichmayr/Elke Mühlleitner: Die "Wiener" Psychoanalyse im Exil. In: Luzifer Amor. Zeitschrift zur Geschichte der Psychoanalyse, 16, Heft 31, 70-105, 2003
