Gedanken für den Tag

4. Oktober 2014, 06:56

Gebete für den anderen

In diesen unfriedlichen Zeiten gäbe es wahrlich viel zu bitten, denke ich mir. Denn die meisten Menschen - über alle gesellschaftlichen oder religiösen Grenzen hinweg - sehnen sich doch nach Frieden, nach einem Zusammenleben in gegenseitigem Respekt und Achtung voreinander. Ein zentrales Element der islamischen Pilgerfahrt, des Hadsch, stellen die Bittgebete dar, welche Gläubige unabhängig von der Situation, in der sie sind und auch unabhängig von jeglicher äußerer Form, wie etwa der Sprache, sprechen können. Dabei erwähnte der Prophet Muhammad, Friede sei mit ihm, Situationen, in denen die Bittgebete mit Sicherheit von Gott angenommen würden - etwa die, welche am frühen Morgen kurz vor dem Sonnenaufgang oder jene, die bei der Kaba gesprochen werden - aber auch Bittgebete, die ein Mensch im Gedenken an einen anderen Menschen formuliert. Auf diese Weise soll die Konzentration des Menschen weg von den eigenen Wünschen und Zielen, die durchaus berechtigt sein mögen, zu den Wünschen und Zielen des Nächsten gelenkt werden. Ilija Trojanow beschreibt dieses Phänomen in seinen Erzählungen über den Hadsch folgendermaßen:

"Auf der Fahrt zum Flughafen sammelte ich die Gebetswünsche meiner Geschwister ein. Gebete, die für einen Mitmenschen gesprochen werden, sind wirkungsvoller als Gebete, die man ichbezogen formuliert. Am Mächtigsten aber sind die Gebete, die für einen anderen vor der Kaaba in Mekka vorgetragen werden. Ich versprach, für die Mutter und die hochschwangere Frau, für die frisch Verheirateten und den jüngst Verstorbenen zu beten."

Welch schöne Idee, nicht nur für sich selbst zu bitten und zu wünschen, sondern auch für andere Menschen - seien sie nun meine Liebsten, oder andere, fremde Menschen. Wenn jede und jeder von uns, bevor sie oder er für sich selbst bittet, an die Andere oder den Anderen denkt, dann müssen diese Wünsche in Erfüllung gehen. Ich glaube, dass diese Botschaft des Hadsch für viele Menschen gelten könnte. Der Gedanke dieses Füreinander statt eines Gegeneinanders könnte gerade in so wenig friedvollen Zeiten zugleich ein Ansporn und ein Hoffnungszeichen sein.

Service

Alexander Tschernek

Buch, Muhammad Asad, "Der Weg nach Mekka", Verlag Patmos
Buch, Ilija Trojanow, "Zu den heiligen Quellen des Islam. Als Pilger nach Mekka und Medina", Malik-Verlag
Buch, Charles Le Gai Eaton, "Der Islam und die Bestimmung des Menschen", Verlag Hugendubel
Buch, Murad Hofmann, "Reise nach Mekka", Diederichs Verlag

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler