Gedanken für den Tag

von Peter Schwarz, Geschäftsführer des Psychosozialen Zentrums ESRA. "Vertrieben, verfolgt, auf der Flucht". Gestaltung: Alexandra Mantler

In den Medien hören und lesen wir es immer wieder: "Wir leben in einem der reichsten Länder dieser Welt." Die meisten Menschen in Österreich genießen einen unwahrscheinlich hohen Lebensstandard. Und trotzdem wird diskutiert, ob wir von den mehreren Millionen syrischen Flüchtlingen 500 oder 1000 oder vielleicht doch 1500 Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen sollen.

Ich verstehe, dass viele Menschen in Österreich sich um das eigene Wohl, den Arbeitsplatz, die Wohngegend sorgen. Alles Sorgen, die Politikerinnen und Politiker ernst nehmen müssen. Gerade, da der Wohlstand in unserem Land nicht gleichmäßig auf alle verteilt ist.
Ich versuche jedoch bei politischen Statements und Kampagnen kritisch zu bleiben. Wer will den Massen nach dem Mund reden und wer sucht tatsächlich nach Lösungen? Wer versucht, politisches Kleingeld oder manchmal sogar große Scheine aus diesen Diskussionen zu schlagen? Und auf der anderen Seite: Wer hat keine einfachen Antworten parat, versucht jedoch im Sinne von Menschlichkeit Wege zu finden, jenen zu helfen, die sich in verzweifelten und entsetzlichen Situationen befinden?

Warum wir hier in Österreich helfen sollten? Weil wir ein Teil dieser Menschheit sind! Es klingt heute unwahrscheinlich, dass wir selbst jemals auf die Hilfe anderer Menschen in anderen Ländern angewiesen sind. Es ist unwahrscheinlich, dass auch wir einmal Zuflucht in einem anderen Land suchen müssen und froh sind, wenn vor uns der Schranken nicht zugeht. Unmöglich ist es nicht.

Wir, die österreichische Gesellschaft, hatte schon einmal Verfolgung, Vertreibung und Genozid mitzuverantworten. Die meisten, die zwischen 1938 und 1945 aus Österreich vertrieben wurden, so man sie nicht ermordet hat, kamen nicht mehr zurück und wurden dazu auch nicht aufgefordert. Zehntausende konnten nur überleben, weil es Menschen und Staaten gab, die sie aufnahmen.

Wir können - und ich finde: wir sollten - aus unserer Geschichte Lehren ziehen und auch für heute Verfolgte Verantwortung übernehmen. Verfolgte aufzunehmen und bei der Verarbeitung ihrer dramatischen Erlebnisse zu unterstützen ist bei unserem Wohlstand weniger eine wirtschaftliche, als eine menschliche und politische Frage. Leisten können wir uns viel mehr, als wir tun.

Service

Psychosoziales Zentrum ESRA

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Antonin Dvorak/1841 - 1904
Titel: Serenade für Streichorchester in E-Dur op.22
* Tempo di Valse - 2.Satz (00:06:51)
Orchester: Orpheus Chamber Orchestra
Länge: 02:00 min
Label: DG 4153642

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