Gedanken für den Tag

von Barbara Pachl-Eberhart, Autorin und Dialogprozessbegleiterin. "Von der Kunst, im Kleinen und im Großen immer wieder aufzustehen". Gestaltung: Alexandra Mantler

Manchmal, da gibt es Nächte, die machen das Aufstehen schwer - und lassen es doch zu einer Erlösung werden. Dann ist das Aufstehen immer noch besser als die Schlaflosigkeit der Nacht mit ihren Gespenstern und Grübeleien, mit dem Herzklopfen, das mich daran erinnert, was alles unerledigt geblieben, was alles zu tun ist.

Ich kenne dieses Herzklopfen gut. Doch seit ein paar Jahren habe ich zu meinen To dos eine herzliche, innige Beziehung, auch wenn sie mir manchmal schlaflose Nächte bescheren. Denn, so banal es auch klingt: Gerade diese To dos waren es, die mich nach dem schlimmsten K.o. meines Lebens wieder aufstehen ließen. Im Jahr 2008 verunglückten mein Mann und meine Kinder tödlich bei einem Verkehrsunfall. Lange sah ich überhaupt keinen Grund mehr, aufzustehen. Und doch gelang es mir, mich dem Leben zu stellen. Warum? Ganz einfach: Weil ich musste.

Ich musste ein Begräbnis organisieren. Eine erste Kraftprobe, die ich staunend bestand. Ich musste kurz danach meine Steuererklärung abgeben. Meinen verstopften Abfluss reparieren lassen. Ich musste einkaufen gehen, weil der Kühlschrank leer war. Ich musste - ich durfte mit winzigen, sehr konkreten Schritten -hineinwachsen, in das, was mein neues Leben war.

"Ich muss", diesen Satz sage ich heute in Dankbarkeit dafür, dass mich das Leben immer wieder zum Aufstehen ruft. Meine To do Liste habe ich inzwischen umgetauft. Sie heißt heute "Juchu-Liste". Juchu, ich darf einkaufen gehen. Ich darf Wäsche waschen und mich an ihrem Duft erfreuen. Ich darf eine Rechnung stellen, eine Freundin anrufen, mein Auto zur Reparatur bringen. Ist das nicht ein Segen? Ist es nicht wunderbar, dass es Automechaniker, Waschmaschinen und die vielen kleinen Pflichten gibt, die mich nach draußen, unter die Menschen, mitten hinein in neue Begegnungen führen? Ich darf leben, ich darf tun und all die Kleinigkeiten erleben, aus denen sich das Leben zusammensetzt. Juchu.

Service

Buch, Barbara Pachl-Eberhart, "Warum gerade du? Persönliche Antworten auf die großen Fragen der Trauer", Integral-Verlag

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Antonio Vivaldi/1678 - 1741
Album: IL PASTOR FIDO - 6 SONATEN FÜR FLÖTE UND B.C. op.13 Nr.1 -6
* Sarabanda; Adagio - 2.Satz (00:01:42)
Titel: Sonate für Flöte und B.c. in C-Dur op.13 Nr.2
Flötensonate
Solist/Solistin: Maxence Larrieu /Flöte
Solist/Solistin: Robert Veyron Lacroix /Cembalo
Länge: 02:00 min
Label: Denon 7572

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