Gedanken für den Tag

von Martin Ploderer, Schauspieler. "In Wahrheit, Freiheit und Schönheit". Gestaltung: Alexandra Mantler

Christian Morgenstern hat seine Sicht der Schönheit in ein Gedicht gefasst:

Zur Schönheit führt Dein Werk:
denn Schönheit strömt
zuletzt durch alle Offenbarung ein,
die es uns gibt.
Aus Menschen-Schmerzlichkeiten
hinauf zu immer höhern Harmonien
entbindest Du das schwindelnde Gefühl,
bis es vereint
mit dem Zusammenklang
unübersehbarer Verkünder GOTTES
und SEINER nie gefassten Herrlichkeit
mitschwingt im Liebeslicht
der Seligkeit...
Aus Schönheit kommt,
zur Schönheit führt
Dein Werk.

Auch über den Begriff der Schönheit wird gerne gestritten. Es sei alles nur eine Frage des subjektiven Geschmacks. "Gusto und Ohrfeigen sind verschieden", heißt es bekanntlich. Doch hängt Schönheit wirklich nur vom Betrachter ab? Gewiss, auch Geschmack ist etwas, das sich schulen lässt. Ich kann lernen, etwas als "schön" zu erkennen. Doch wer bestimmt dann dieses? Schließlich hat sich der Kanon dessen, was allgemein für "schön" empfunden wird, im Laufe der Zeit verändert. Gerne wird hierfür das Beispiel des Peter Paul Rubens herangezogen, dessen Damen in seinen Gemälden mit ihren üppigen Formen heute kaum mehr als Schönheitsideal empfunden werden. Auch ganze Stilepochen werden im Laufe der Zeit unterschiedlich bewertet. Der Name für den Stil der Gotik rührt daher, dass man ihn ein paar Jahrhunderte später als barbarisch empfand und ihn daher mit dem Inbegriff der barbarischen Völker, den Goten, in Zusammenhang brachte.

Und doch, meine ich, gibt es so etwas wie "objektive Schönheit". Sie steht in enger Verbindung mit der Wahrheit und kann nur in Freiheit "wahr-genommen" werden. Ich glaube, Schönheit ist das Merkmal einer höheren Wahrheit. Der unverdorbene Mensch erkennt Wahrheit in dem Moment, da er Schönheit empfindet. Ein gefährlicher Ansatz, ich weiß. Wer ist unverdorben? Wer will, wer kann dies bestimmen? Definitionen sind heikel, denn allzu schnell werden sie zum Vorwand von Ideologien. Ideologie als Erklärungsversuch oder auch nur als Funktionsmodell der Welt ist aber mit Freiheit unvereinbar.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Franz Schubert/1797 - 1828
Titel: Quintett für Klavier, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabaß in A-Dur DV 667 op.114
* Andante - 2.Satz (00:07:02)
Populartitel: Forellenquintett
Solist/Solistin: Elisabeth Leonskaja /Klavier
Ausführende: Alban Berg Quartett /Mitglieder
Ausführender/Ausführende: Valentin Erben /Violoncello
Ausführender/Ausführende: Günter Pichler /Violine
Ausführender/Ausführende: Thomas Kakuska /Viola
Ausführender/Ausführende: Georg Hörtnagel /Kontrabaß
Länge: 02:00 min
Label: EMI 7474482

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