Gedanken für den Tag

19. Jänner 2015, 06:56

PRINZ JUSSUF

Else Lasker-Schüler, geboren am 11. Februar 1869, war die Tochter einer bürgerlich-jüdischen Bankiersfamilie in Elberfeld, einem Stadtteil von Wuppertal. Sie dichtete, zeichnete und lebte. Ihre Person hat sie märchenhaft kostümiert und mit vielen Mythen geschmückt. So soll sie als Kind einmal aus dem Fenster im ersten Stock gesprungen sein, ihrer geliebten Mutter entgegen, wäre vom Sonnendach der Gartentür aufgefangen worden, hätte dabei einen Schock erlitten und wäre nie mehr in die Schule gegangen. Stattdessen wäre sie stundenlang bei ihrem Lieblingsspiel gesessen, dem Knopfspiel, in dem sie die prächtigsten Knöpfe aus Mutters Nähtischchen in bestimmte Ordnungen gelegt hätte.

"Aber einer der herrlichsten Knöpfe durfte überall liegen", schreibt sie, "wo er wollte, er war.. besät mit goldenen Sternlein...er war das Himmelreich meiner Knöpfe und hieß: Josef von Ägypten."

Über die Erzählung vom "ägyptischen Joseph", den seine neidischen Brüder verkauft hatten, konnte sie Tränen vergießen, und sich kindlich freuen, dass schließlich doch alles ein gutes Ende gefunden hatte. In Briefen an ihre Freunde nannte sie sich meist Jussuf, Prinz von Theben. Jussuf ist die arabische Form von Joseph.

An ihrem Sterbetag, dem 22. Jänner 1945 war ich ein Kind von sechs Jahren. Damals geschah es, dass ich eines Tages verbotenerweise Gesprächsfetzen der Erwachsenen erlauscht hatte und bitterlich weinte, nachdem ich von unfassbaren Unmenschlichkeiten jener Zeit gehört hatte. Damals, im Jänner 1945, verdämmerte "in den Abendfarben Jerusalems" das Leben Jussufs, des Prinzen von Theben, der Dichterin Else Lasker-Schüler. In ihrem Sarg erschien sie Freunden in seltsamer Schönheit, zarter als sie im Leben war und einer feierlichen ägyptischen Königsmumie gleich.

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