Radiodoktor - Medizin und Gesundheit

Neue Leitlinien verändern die Behandlung der Alkoholkrankheit

Vergangene Woche wurden in Deutschland neue Leitlinien für die Diagnose und Behandlung der Alkoholabhängigkeit veröffentlicht. Über vier Jahre hinweg haben etwa 80 Expertinnen und Experten mehr als 6.800 Studien aus dem vergangenen Jahrzehnt durchgeackert und analysiert. Das Ergebnis ist ein völliges Umdenken im Bereich der Therapie. Denn die bisherige Erfolgsrate ist nicht atemberaubend. Nach Expertenschätzungen suchen weniger als zehn Prozent der Alkoholabhängigen von sich aus medizinische Hilfe und 70 Prozent der Alkoholkranken werden nach Beendigung der Therapie bereits innerhalb des ersten Jahres rückfällig. In Österreich gelten etwa 340.000 Menschen als alkoholkrank, knapp 735.000 Personen konsumieren Alkohol regelmäßig in einem gesundheitsschädigenden Ausmaß.
Die neuen Leitlinien wurden mit 50 Fachgesellschaften - darunter auch die zuständigen österreichischen - abgestimmt. Unser Sendungsgast Prof. Dr. Karl Mann, wissenschaftlicher Leiter der Leitlinien, formuliert die neue Strategie so: "Abstinenz bleibt das oberste Ziel, aber wenn jemand diesen Schritt nicht gehen kann oder will, dann zielt die Beratung oder Behandlung erst einmal auf eine Reduktion ab." Ein weiterer Grund für den "Entzug soft": Bereits eine entsprechende Reduktion der Trinkmenge kann die ernsten, körperlichen Folgeschäden wie Leberzirrhose, Leberkrebs, Herzerkrankungen etc. eindämmen und so Menschenleben retten. Dazu kommt, dass die Suizidrate unter den Alkoholkranken bei sieben Prozent liegt. Des Weiteren sind Hausärztinnen und Hausärzte aufgefordert, vermutete Probleme mit Alkohol möglichst früh anzusprechen, um so die Betroffenen rascher einer Beratung bzw. Behandlung zuführen zu können.
Mit den neuen Behandlungszielen hoffen Expertinnen und Experten, wesentlich mehr Alkoholabhängige als bisher bereits früh zu einer Therapie motivieren zu können.

Dieses Mal diskutiert Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger mit seinen Gästen über die neuen Behandlungsleitlinien für Alkoholabhängige und über die - angesichts des großen Leides, das Alkoholkranke in Beziehungen und Familien häufig anrichten - emotional besetzte Frage, ob weniger Trinken bereits ein Etappensieg sein kann.

Eine Sendung von Dr.in Michaela Steiner.
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Service

Dr.in Barbara Degn
Ärztin für Allgemeinmedizin in Wien, Psychotherapeutin, im Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM), im Vorstand des Vereins "Alkohol ohne Schatten"
Prager Straße 92/Stg.7
A-1210 Wien
Tel.: +43/1/270 66 32
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Univ.-Prof. Dr. Friedrich Martin Wurst
FA für Psychiatrie und Psychotherapie, Affiliation an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg und am Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie, im Vorstand der Europäischen Föderation für Suchtgesellschaften
Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg
Martinistr. 52
Tel.: +49/40/7410-0
D-20246 Hamburg
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ZIS Hamburg

Prof. Dr. Karl Mann
FA für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, emer. Inhaber des Lehrstuhls für Suchtforschung am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim, Gründungspräsident der Europäischen Föderation für Suchtgesellschaften
J 5
D-68159 Mannheim
Tel.: +49/621/1703/3502
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Zentralinstitut für seelische Gesundheit

Verein "Alkohol ohne Schatten"
Adressen der Selbsthilfegruppen
Anonyme Alkoholiker
Handbuch Alkohol (des Bundesministeriums für Gesundheit) - mit österreichweiten Anlaufstellen)
Information, Beratung und Hilfe in Wien
Suchtforschung und Suchttherapie, MedUni Wien
Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie
European Federation of Addiction Societies EUFAS
ALK-INFO - Internetplattform für alkoholkranke Menschen, deren Angehörige und Freunde
Ratgeber zum Thema Alkoholismus
Legale Drogen: So werden Alkohol- und Nikotinsüchtige künftig behandelt

Joachim Körkel, "Kontrolliertes Trinken - So reduzieren Sie Ihren Alkoholkonsum", TRIAS; 2. Aufl. 2013

Roland Mexa, "Raus aus dem Suff!: So besiegst Du Deine Alkoholsucht", ersa Verlag 2013

Ursula Lambrou, "Familienkrankheit Alkoholismus: Im Sog der Abhängigkeit", rororo; 4. Aufl. 2010

Sendereihe