Radiodoktor - Medizin und Gesundheit

Sterben in Würde

Die meisten denken nicht gerne darüber nach. Das kann sich rächen: Denn ein Sterben in Würde ist ein Wunsch, der für viele nicht in Erfüllung geht. Das Spektrum der Wünsche, Ängste, Nöte etc. am Lebensende ist sehr unterschiedlich.
Unser Sendungsgast Prof. Dr. Gian Domenico Borasio, einer der bekanntesten Palliativmediziner gibt zu bedenken, dass das Sterben sehr viel mit dem Leben zu tun hat.
In seinen Büchern "Über das Sterben" und "selbst bestimmt sterben" weist er klar darauf hin, dass aufgrund der demographischen Entwicklung die Politik und die Gesellschaft sich sehr rasch mit dem Abschied aus dem Leben beschäftigen müssen.
Über die emotionale Debatte "für" oder "gegen" Sterbehilfe hinaus, sollte endlich ruhig über die Vielzahl der Probleme diskutiert werden.
Zu den Fakten: Etwa zwei Drittel der Menschen in Österreich sterben in Krankenanstalten und Heimen. Viele sind nicht in der Lage Einfluss auf die letzten Lebenstage zu nehmen. Der Verlust der Würde, starke Schmerzen, Atemnot, die fehlende Aussicht auf eine Besserung der Krankheit usw. lassen bei manchen einen Sterbewunsch aufkeimen.
Die Hospiz-Bewegung hat in Österreich entscheidende Akzente gesetzt. Wenn keine Hoffnung auf Gesundung oder Lebensverlängerung mehr besteht, wird durch medikamentöse Schmerzlinderung und persönliche Zuwendung versucht einen Abschied in Würde zu ermöglichen.
Aber nur wenige Erkrankte würden bei klarem Verstand zustimmen, wenn der Sterbeprozess durch medizinische Mittel (Medikamente, Magensonde etc.) wochenlang gestreckt wird.
Die Liberalisierung der Sterbehilfe wäre eine Möglichkeit, Schmerzen und Leid am Ende des Lebens zu verringern. In Österreich sind die aktive Sterbehilfe und die Beihilfe zur Selbsttötung strafbar - bis zu fünf Jahre Haft drohen Angehörigen, die ihre Lieben, zum Beispiel in die Schweiz zu einer der Institutionen, die Sterbehilfe anbieten, begleitet haben.
Die parlamentarische Enquetekommission "Würde am Ende des Lebens" hat am 3. März dem Nationalrat empfohlen, die Hospiz- und Palliativversorgung deutlich auszubauen, aber die rechtliche Situation nicht zu ändern.
Am 9.2.2015 gab es eine Stellungnahme der österreichischen Bioethikkommission. 16 der 25 Mitglieder treten für eine Liberalisierung des Paragrafen 78 aus dem Strafgesetzbuch (Beihilfe zum Suizid) ein.
Die Vorsitzende der Bioethikkommission wünscht sich in diesem Zusammenhang einen breit geführten gesellschaftlichen Diskurs zu Thema Würde am Ende des Lebens.
Denn die beste Schmerztherapie und intensivste Betreuung ist nicht die Antwort auf alle Sterbewünsche, wie es Hans Küng ausdrückte.

Diesmal diskutiert Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger mit seinen Gästen über die Sterbekulturen in Österreich, der Schweiz und in Deutschland.

Eine Sendung von Dr. Christoph Leprich.

Service

Prim. Univ.-Prof. Dr. Johannes Meran (FA für Innere Medizin, FA für Hämato-Onkologie, Leiter der Abteilung für Innere Medizin im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien)
Prof. Dr. Gian Domenico Borasio, Faculté de biologie et médecine

Österreichische PalliativGesellschaft
Dachverband von Palliativ- und Hospizeinrichtungen
Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger
Letzte Hilfe - Verein für selbstbestimmtes Sterben
Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben
Organisationen für das Recht auf ein selbstbestimmtes Lebensende (EU-weit, Schweiz, Deutschland, Österreich)
Gian Domenico Borasio über das Sterben
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Gian Domenico Borasio, "Über das Sterben. Was wir wissen, was wir tun können, wie wir uns darauf einstellen", Deutscher Taschenbuch Verlag 2013

Gian Domenico Borasio, "selbst bestimmt sterben: Was es bedeutet. Was uns daran hindert. Wie wir es erreichen können", Verlag C.H.Beck 2014

John Davy, Susan Ellis, Markus Feuz, Heide Börger, "Palliativ pflegen: Sterbende verstehen, beraten und begleiten", Huber Verlag 2010

Film: "Das Meer in mir"

Sendereihe