Radiokolleg - Die Geburt

Planbarkeit, Risiko und Selbstbestimmung (3). Gestaltung: Astrid Schwarz

Der Umgang mit der Geburt hat in den vergangenen Jahrzehnten in unserer Gesellschaft einen massiven Wandel erlebt. Früher lag die Unterstützung, Vorbereitung und die Geburt in den Händen der Hebammen. Hausgeburten waren häufig. Doch auch die Kinder- und Müttersterblichkeit war früher höher. Durch den Fortschritt in der Medizin wurden Geburten für Mütter und Kinder sicherer. Heute sind Ärztinnen und Ärzte die ersten Ansprechpartner/innen. Die meisten Kinder werden im Spital zur Welt gebracht. Die Geburt wird zunehmend medikalisiert.

Die Rate der Babies, die durch einen Kaiserschnitt das Licht des OPs erblickten, liegt in Österreich knapp unter 30%. Damit hat sich die Rate in den vergangenen beiden Jahrzehnten beinahe verdoppelt.

Frauen, die Zwillinge erwarten oder deren Kind nicht mit dem Kopf nach unten liegt sondern in Beckenendlage, müssen sich oft einem Kaiserschnitt unterziehen, da es nur noch wenige Ärzte und Hebammen gibt, die Erfahrung mit einer vaginalen Entbindung in diesen Fällen haben. Das Wissen um diese Techniken geht allmählich verloren. Der Wunsch nach Sicherheit und Kontrolle wirkt stark in das natürliche und unvorhersehbare Geschehen einer Geburt hinein. Auch Kaiserschnitt-Geburten gänzlich ohne medizinische Indikation - sogenannte Wunschkaiserschnitte - sind keine Seltenheit mehr.

Nur noch rund acht Prozent der Kinder in Deutschland kommen gänzlich ohne ärztliche Interventionen wie Eröffnung der Fruchtblase, Dammschnitt, PDA o.ä. auf die Welt. Für Österreich kann man ähnliche Zahlen annehmen.

Die Hausgeburt ist in Österreich - im Gegensatz zu den Niederlanden - selten. Die Veränderung der Familienstrukturen sind mit ein Grund für den Rückgang von Hausgeburten in Österreich. Mangelndes Vertrauen und fehlende Ressourcen vielleicht ein anderer.

Die Geburt wird heute immer mehr zu einem Projekt, das von vielen Seiten abgesichert werden will. Zwischen Natürlichkeit, Normierung und Regulierung.

Welche Gründe es für diese Entwicklungen gibt, wie eine selbstbestimmte Geburt heute aussehen kann, was davor, danach und währenddessen passiert - hat Astrid Schwarz erkundet und gibt Einblicke in die Welt der Schwangeren, frischgebackenen Eltern, Hebammen und Geburtshelfer/innen.

Service

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Hebammenzentrum Wien

Anna Bergmann:
Frauen, Männer, Sexualität und Geburtenkontrolle. Die Gebärstreikdebatte 1913 in Berlin. In: Karin Hausen (Hg.): Frauen suchen ihre Geschichte. Historische Studien zum 19. und 20. Jahrhundert. C. H. Beck Verlag, München 1983, ISBN 3-406-09276-4

Anna Bergmann:Der entseelte Patient
Die moderne Medizin und der Tod, 2. Auflage 2015. , 448 S., 21 s/w Abb. Gebunden
ISBN 978-3-515-10760-0

Stadelmann, Ingeborg, 2006: Die Hebammensprechstunde, Ingeborg Stadelmann Verlag
Leboyer, Frederik, 1974: Geburt ohne Gewalt. München: Kösel Verlag.

Barbara Duden, "Der Frauenleib als öffentlicher Ort. Vom Mißbrauch des Begriffs Leben", Luchterhand Essay Band 9, Luchterhand, Hamburg 1991
Barbara Duden (Hg.) mit Jürgen Schlumbohm und Patrice Veit, "Geschichte des Ungeborenen. Zur Erfahrungs- und Wissenschaftsgeschichte der Schwangerschaft", Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Band 170, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002

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