Gedanken für den Tag

von Susanne Scholl, Journalistin. "Flucht und andere Neuigkeiten". Gestaltung: Alexandra Mantler

Wenn man weit weg ist

Ich beobachte von weitem, was in der Welt passiert. Ich sehe Bilder vom Krieg. Ich gehöre zu den Glücklichen, die im Frieden geboren wurden. Und doch hab ich dem Krieg auch direkt ins Aug geschaut. Jetzt aber sitze ich in meiner ruhigen friedlichen Stadt, in Wien. Und beobachte, was weit weg vor sich geht. Und versuche nachzuempfinden, was mit den Menschen geschieht, die dort, mitten in der Hölle sind.

Und wieder taucht meine Freundin Eva auf. Die mitten im Krieg, hochschwanger, durch Tschetschenien marschierte. Weil sie ihre Kinder bei den Großeltern gelassen hatte. Nicht daran denkend, dass der Krieg wieder losbrechen könnte. Die im Straßengraben und in zerbombten Häusern schlief und nahm, was sie in halbzerstörten Wohnungen fand, um zu überleben. Ich denke an ihre Erzählung, wie sie ihr Kind in einem Keller mit der Hilfe zufällig anwesender Frauen zur Welt brachte. Und es nicht am Leben erhalten konnte. Und jedes Mal, wenn ich die Bilder aus den Kriegen rund um uns sehe, zieht sich mein Herz so sehr zusammen, dass ich zu ersticken glaube.

Und dann treffe ich Menschen, die so wie ich hier im Sicheren geboren und aufgewachsen sind. Und sie fragen mich, warum man denn Menschen aus dem Kaukasus noch aufnehmen müsse hier bei uns - dort sei es doch jetzt ruhig. Und ich denke, dass es auch ruhig war, als Eva ihre Söhne nur für zwei Tage bei den Großeltern gelassen hatte.

Wie kann man erklären, was es heißt, ohne Ausweg im Krieg gefangen zu sein, wenn der, dem man es zu erklären versucht, gar nicht verstehen will? Damals in Ägypten waren die Israeliten nicht gerne gesehen, waren in Gefahr. Waren Sklaven. Und konnten nur weggehen. Woran wir in dieser Woche mit dem Pessach-Fest erinnert werden.

Aber wir sollten auch daran denken, dass die Geflüchteten noch Tausende Jahre später eigentlich nirgends so recht willkommen sind. Sie nicht und alle anderen nicht, die gezwungen sind, sich eine neue Heimat zu suchen.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Grigori Krejn/1879 - 1957
Album: JÜDISCHE LIEDER OHNE WORTE - MUSIK DER NEUEN JÜDISCHEN SCHULE
Titel: Lied ohne Worte op.38 Nr.2 : Klageweib (00:02:39)
Gesamttitel: DREI LIEDER OHNE WORTE op.38 - WELTERSTAUFNAHME
Solist/Solistin: Wolfgang Meyer /Klarinette
Solist/Solistin: Jascha Nemtsov /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: hänssler Classic CD 93094

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