Zwischenruf

von Prof. Susanne Heine (Wien)

"Gott ist das beladendste aller Menschenworte" - Zum 50. Todestag von Martin Buber

Am 13. Juni vor 50 Jahren ist der in Wien geborene Martin Buber 87-jährig in Jerusalem gestorben. Berühmt gemacht hat ihn die Übersetzung der hebräischen Bibel ins Deutsche, gemeinsam mit Franz Rosenzweig; mehr vielleicht noch das Buch über die Erzählungen der Chassidim, der frommen, mystisch inspirierten, der humorvoll-weisen Rabbiner Osteuropas.

Er hatte diese Strömung in Galizien kennengelernt, da er bei den Großeltern in Lemberg aufwuchs. Er war ein Religionsgelehrter, der sich mit den östlichen Religionen befasste und mit dem Christentum auseinandersetzte. Im Zentrum freilich stand sein eigenes Judentum, in dem er verwurzelt war, und das er geistig zu erneuern suchte.

Martin Buber hat zwei Weltkriege erlebt, den Antisemitismus, der sich bis zur Judenvernichtung steigerte, und der er 1939 durch die Emigration nach Palästina entkam. Er erlebte die Gründung des Staates Israel 1948 und den zeitgleich beginnenden Krieg. Seine Worte aus einer Rede von 1958 sind 2015 immer noch aktuell: "Unter so vielfach erschwerten Umständen ist es noch heute und mehr denn je das Gebot des Geistes, die Zusammenarbeit der Völker anzubahnen."

Martin Buber war kein Heiliger und nicht frei von Verirrung. In jungen Jahren begeisterte er sich für den großen Krieg, von dem er eine Reinigung des Geistes und dessen Wiedergeburt erwartete. Er hat sich bald bekehrt, so schreibt er selbst, und daraus ging der Philosoph der Begegnung hervor.

Dass alle Lebewesen in der Natur in ein "Mit-Anderen-Sein" hineingestellt sind, wird in der Ich-Du-Philosophie zum Zentrum seines Lebenswerkes. Daher erfüllt für Buber der Mensch sein Mensch-Sein nur dann, wenn er sich als Beziehungswesen erkennt. Das In-Beziehung-Stehen ist seinem Wesen eingepflanzt, das sich in der Begegnung von Ich und Du entfalten will. Für Buber kann sich Begegnung zwischen Verschiedenen ereignen, die anders sind und bleiben, und das unterscheidet sich von einem Zusammenrotten aufgrund gemeinsamer Eigenschaften, Ansichten oder Interessen, wie das in Cliquen oder Parteien der Fall ist. Die Beziehung ist da, im Wesen des Menschen angelegt wie die Würde, und liegt der Begegnung voraus, daher sagt Buber: "Im Anfang ist die Beziehung .; das eingeborene Du", das sich in der Beziehung zu Gott als dem ewigen Du vollendet.

Was Buber erlebt, zeigt ihm jedoch, dass sich der Mensch nicht als Beziehungswesen erkennt, sondern sich alles gefügig macht, auch Gott: Gott ist "das beladenste aller Menschenworte", schreibt er. "Keines ist so besudelt, so zerfetzt worden. . Die Geschlechter der Menschen haben die Last ihres geängstigten Lebens auf dieses Wort gewälzt und es zu Boden gedrückt: Es liegt im Staub und trägt ihrer alles Last. Die Geschlechter der Menschen mit ihren Religionsparteiungen haben das Wort zerrissen; sie haben dafür getötet und sind dafür gestorben; es trägt ihrer aller Fingerspur und ihrer aller Blut. . sie morden einander und sagen ,im Namen Gottes'."

Martin Bubers Religionskritik richtet sich nicht gegen Gott, sondern gegen die "geschichtlichen Religionen, die dazu tendieren, zum Selbstzweck zu werden und sich gleichsam an Gottes Stelle zu setzen, und in der Tat ist nichts so geeignet, dem Menschen das Angesicht Gottes zu verdecken". Buber ist überzeugt: "Wir können das Wort ,Gott' nicht reinwaschen, aber wir können es, befleckt und zerfetzt, wie es ist, vom Boden erheben und aufrichten über einer Stunde großer Sorge." Das war 1923. Solche Worte verdienen, auch im heutigen Wirrwarr der Geister gehört zu werden.

Service

Buch, Martin Buber, "Ein Land und zwei Völker", Jüdischer Verlag
Buch, Martin Buber, "Begegnung. Autobiographische Fragmente", Verlag Lambert Schneider
Buch, Martin Buber, "Ich und Du", Gütersloher Verlagshaus
Buch, Martin Buber, "Nachlese", Verlag Lambert Schneider

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