Gedanken für den Tag

"Das Juwel des Lebens" - Texte zum Ramadan-Beginn. Gestaltung: Alexandra Mantler

Der Dichter Muhammad Iqbal wurde 1877 in Sialkot im heutigen Pakistan geboren. Er studierte in Lahore, dann in Cambridge und Heidelberg Jus, Philosophie und Orientalistik. 1930 vertrat er erstmals die Idee eines selbstständigen muslimischen Staates im Nordwesten des Subkontinents, der sich schließlich in Pakistan 1947 verwirklichte. Iqbal wurde so zum "geistigen Vater Pakistans", dessen Gründung er jedoch nicht erlebte. Seine Dichtung wird auch in Indien und Iran hochgeschätzt. In seinem "Persischen Psalter" schreibt er:

Gib mir das Herz, das trunken ist
Von seinem eig'nen Wein,
Nimm mir das Herz, das sich vergaß,
träumt von der Fremden Schrei'n.
Gib mir das Herz, gib mir das Herz,
das dieser Welt nicht denkt,
Nimm mir das Herz, nimm mir das Herz
Besorgt um Groß und Klein!
Zieh aus dem Köcher des Geschicks
Mich Pfeil, o Jäger, bald!
Wie kann ein Pfeil, dem Bogen fern,
beim Schuss Dir nützlich sein?
Das Leben: Niemals wird es müd'
im Welteroberungsdrang!
Band eine Welt ich, tret' ich schon
in neue Welten ein!
Wir verliefen uns - Gott sucht uns,
die wir irr' von Ihm gegangen,
Gleich wie wir ist Er voll Sehnsucht
und in Seinem Wunsch gefangen.
Manchmal schreibt Er seine Botschaft
uns auf Tulpenblättern auf.
Manchmal hören wir Sein Rufen,
wenn die Gartenvögel sangen.
Er ruht im Narzissen-Auge,
unsre Schönheit zu betrachten,
So entzückend, dass dem Sprechen
gleicht schon dieses Blicks Umfangen.
Jenes morgendliche Seufzen,
das Er haucht, von uns getrennt,
Innen, außen, oben, unten -
alle Welt kann es umfangen!
Unrast schuf Er und Erregung,
um den Erdenmensch zu sehen.
Schuf den Blick, den Duft und Farben
zu erschau'n, war Sein Verlangen.
Im Atom ist Er verborgen,
uns ist Er noch nicht vertraut,
In Palast und Gasse weilt Er,
klar wie Mondlicht ist Sein Prangen.
Ach, im Staube ging verloren
das Juwel des Lebens uns!
Ist es Er, sind wir es selber,
dies Juwel, um das wir bangen?

Service

Buch, Annemarie Schimmel, Hg., "Die schönsten Gedichte aus Pakistan und Indien. Islamische Lyrik aus tausend Jahren", Verlag C. H. Beck

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Madjid Derakhshani
Titel: Nava
Ausführende: Madjid Derakhshani
Länge: 02:00 min
Label: ARC Music Productions LC 05111

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