Gedanken für den Tag

von Andrea Riemer, Autorin und Beraterin für Fragen zu Selbstführung und Führung. "Geführt von Musik". Gestaltung: Alexandra Mantler

"Jede große Musik ist Bekenntnis, sie bekennt sich rückhaltlos", schreibt der Dirigent Ingo Metzmacher in seinem Buch "Keine Angst vor neuen Tönen" (Verlag Rowohlt). Das Aufregende bei Führung und bei Musik ist: beide sind sui generis undemokratisch, so sehr man sich um eine demokratische Entscheidungsfindung bemüht. Beide sind immer Bekenntnis, sie müssen erkennbar sein, fühlbar sein und unwiderstehlich sein. Es kann nur so gehen und nicht anders, völlig unabhängig, was das Prestige im Außen angeht, was Claqueure im Außen angeht, was Medien im Außen angeht.

Wenn sich der Führende und der Musiker ihrer Aufgabe nicht ausreichend verschreiben, dann verlieren sie ihren Geltungsanspruch. Es geht also darum, dass man wissen muss: Was sind die Abholpunkte? Wo geht es los? Was geht? Was geht nicht? Man braucht aber auch das Vertrauen, um zu fühlen, an welcher Stelle des Flusses bewege ich mich im Moment? Ich kann nicht nur kontrollieren.

Es ist ebenso wichtig, dass ich klare Ziele habe und klar entschieden meine Ressourcen zuteile, denn am Schluss geht es ja darum, dass man gemeinsam die Ziellinie überquert. Man braucht eine gemeinsame Basis, das ist manches Mal schwer, aber ohne gemeinsamen Boden kann man nichts Neues aus dem Bestehenden heraus erschaffen. Oft ist Führen eine Frage von Nerven behalten, von mutigem Jonglieren mit Dingen, die nur im Minimum vorhanden sind, mit erzwungenem Improvisieren, ohne dass man das Ganze aus den Augen verliert und letztlich die angesprochene Ziellinie erreicht.

Das heißt, Sie brauchen da eine entwickelte Persönlichkeit, die eine starke innere Mitte hat, eine adäquaten Zugang zu Macht und Verantwortung hat - das gehört ganz einfach zusammen - und dann rückt ihnen das berühmte Ensemble an die Stuhlkante, dann werden die Leute aufmerksam, dann können Sie sie begeistern und sozusagen vereinen. Und es ist völlig unerheblich, ob Sie es jetzt in der Musik bei einem Orchester haben oder bei einem kleinen Jazz-Ensemble oder ob sie es in einem Unternehmen haben, in einer Fußballmannschaft, einer Handballmannschaft, in einem Wissenschaftler-Team, es ist immer das Gleiche.

Führen meint immer und uneingeschränkt diese gesamte Palette der Gestaltung im Ausdruck einer sehr expressiven Schaffenskraft und des Bedürfnisses, sich mitzuteilen, an den Tag zu legen. Und das braucht Haltung und Bekenntnis und es ist ganz, ganz entscheidend heute, wenn man in dieser Umbruchzeit auch noch einen mess- und zählbaren, fühlbaren, sichtbaren Erfolg haben will.

Service

Buch, Ingo Metzmacher, "Keine Angst vor neuen Tönen", Verlag Rowohlt

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Johannes Brahms/1833 - 1897
Titel: Symphonie Nr.1 in c-moll op.68
* Un poco allegretto e grazioso - 3.Satz (00:04:49)
Orchester: London Philharmonic Orchestra
Leitung: Klaus Tennstedt
Länge: 02:00 min
Label: DG 7470292

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