Gedanken für den Tag

von Roman Pachernegg, Filmemacher. "Unendlich jetzt" - Reflexionen über Zeit und Gegenwart. Gestaltung: Alexandra Mantler

Warum fällt es uns als Menschen oft so schwer, dem eigenen Zeitgefühl zu vertrauen? Der Kinder- und Jugendpsychiater Christoph Göttl hat uns in einem Filmgespräch erzählt, dass Kinder bis zum Alter von circa sechs Jahren gar nicht in der Lage sind, äußere Zeit-Strukturen wichtiger zu nehmen als die inneren spontanen Impulse. Man kann sich demnach ausmalen was passiert, wenn man Kinder schon von den ersten Jahren an in ein Zeitkorsett presst, das ihnen gar nicht entsprechen kann, wenn man sie mit ständiger Ablenkung und Reizüberflutung konfrontiert oder ungeduldige Erwartungen auf sie projiziert.

Jedes Kind hat sein ganz eigenes Zeiterleben und spezifisches Tempo, in dem es sich die Dinge aneignet, davon bin ich nicht zuletzt seit der Geburt unserer Tochter und der intensiven Begleitung und Beobachtung ihrer Entwicklung überzeugt. Wenn sie tief in den Moment versunken ihre Malwand bearbeitet oder einfach Holzklötze aufeinandertürmt, dann spüre ich ganz deutlich, was mir abhanden gekommen ist und was ich mit ihrer Hilfe wieder lernen darf. Ein Vertrauen in die unmittelbare Richtigkeit des Seins, eine auf Begeisterung basierende, hingebungsvolle Beschäftigung mit einer Sache. Von diesem Punkt aus kann Entwicklung entstehen, kann etwas wachsen, das in Übereinstimmung mit den eigenen Interessen, Zielen und Visionen steht.

Die ersten Zeitstrukturen, die sich uns einprägen, sind, wenn sie unreflektiert bleiben, oftmals bestimmend für das restliche Leben und je verunsicherter das eigene Zeitempfinden ist, umso anfälliger ist man für Erwartungs- und übersteigerten Leistungsdruck.

Wenn einem aber plötzlich niemand mehr sagt, was wann zu tun ist, ist man gut beraten, sich an einen Zustand zu erinnern, in dem man mit der Welt und ihrer Fülle an Zeit noch im Einklang und dem Gespür für sich selbst noch in Übereinstimmung gelebt hat.

Service

Roman Pachernegg

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach/1685 - 1750
Titel: Konzert für Violine, Oboe, Streicher und B.c. in c-moll BWV 1060
* Allegro - 1.Satz (00:04:49)
Solist/Solistin: Gidon Kremer /Violine
Solist/Solistin: Heinz Holliger /Oboe
Orchester: Academy of St.Martin in the Fields
Leitung: Heinz Holliger
Ausführender/Ausführende: Heinz HOLLIGER/21.5.1939 Langenthal, Schweiz
Länge: 02:00 min
Label: Philips 4114662

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