Leporello

20 Jahre Augustin: Das Geburtstagsfest in der VHS Donaustadt

"Der Augustin ist eine gute Zeitung", das hört Frau Martha oft. Frau Martha ist Verkäuferin der seit langem im Wiener Stadtbild präsenten Straßenzeitung, und in guten Zeiten hat sie so ein wenig Geld in der Tasche. Derzeit an die 450 Augustinverkäufer stehen bei Wind und Wetter auf den Gehsteigen, in den U-Bahnstationen, vor den Supermärkten oder Kaffeehäusern und verkaufen pro 14tägiger Ausgabe bis zu 30.000 Exemplare des Blatts. Heute Abend feiert die Belegschaft der ersten Straßenzeitung Österreichs - die Verkäufer, Sozialarbeiterinnen und Zeitungsredakteure des Augustin - im Haus der Begegnung Wien Donaustadt den 20. Geburtstag des Augustin. U.a. mit der "Augustinsuite", einem eigens zum Fest komponierten Geschenk des Musikers Otto Lechner.

Reinhold Schachner ist langjähriger Redakteur der Augustinzeitung. Das Konzept, der metaphorische Charakter, von dem er spricht, ist so schlicht wie spektakulär: Eine "Plattform der Marginalisierten" soll die Zeitung sein. Die Geschichten, die Schachner im Augustin erzählt, findet er buchstäblich auf der Straße, denn sie handeln von der Welt der Obdachlosen, der Langzeitarbeitslosen und Asylwerber.

Reinhold Schachner schreibt die Lebensgeschichten der Augustinverkäufer auf und gestaltet daraus eine größere Erzählung. Ein Thema wäre die Verdrängung der Augustinverkäufer durch organisierte Banden, die vorgeblich die Zeitung verkaufen, in Wahrheit aber betteln. Reinhold Schachner weist auch auf die schrittweise Zerschlagung der Unterstandslosen-Cliquen hin, wie sie früher auf der Donauinsel, im Stadtpark oder im Audimax der Uni Wien existierten. Seit langem schon werden diese aus dem öffentlichen Leben gedrängt, so will es offenbar die Stadtplanung. Auch die Bahnhöfe sollen für die unfreiwilligen Müßiggänger so ungemütlich wie möglich gemacht werden.-

"S'Eisenbankl" heißt eine der Miniaturen, die Otto Lechner heute Abend in der VHS Donaustadt zusammen mit 12 Akkordeonisten zur Aufführung bringen wird. Als seelenvoller Wiener Tanz verkleidet, erzählt die Komposition vom Versuch eines Menschen, es sich auf einer Eisenbank bequem zu machen: Ein Ding der Unmöglichkeit. Reinhold Schachner über Stadtarchitektur aus der Sicht von unten.

Eine Möglichkeit, sich gegen die Umstände zu stemmen, bietet Augustinverkäufern die Kunst: Im Umfeld der Zeitung hat sich etwa die sehr aktive Chor- und Musikgruppe Stimmgewitter gebildet; und es gibt ein Theaterprojekt: Andreas Hennefeld betreut das Theaterprojekt mit keinem geringeren Ziel als jenem, den Beteiligten einen Hauch Freiheit zu vermitteln.

Das Fest zum 20. Geburtstag des Augustin mit Otto Lechner, dem Stimmgewitter u.v.a. ist mit der U1 bequem über die Station Kagran zu erreichen.- Gestaltung: Christa Eder

Service

Kostenfreie Podcasts:
Leporello - XML
Leporello - iTunes

Sendereihe