Gedanken für den Tag

von Kurt Scholz, Vorsitzender des Zukunftsfonds der Republik Österreich und ehemaliger Stadtschulratspräsident. "Mutig in dunklen Zeiten" - Christinnen und Christen im Widerstand. Gestaltung: Alexandra Mantler

Michael Memelauer - Der Kirchenfürst und sein Protest

So richtig stolz scheint seine Kirche nicht auf ihn zu sein. Andernfalls wäre seine mutige Predigt leichter erhältlich. So aber muss man schon viel Glück haben, um sie überhaupt auftreiben zu können.

Beginnen wir langsam. 1927, im Jahr des Justizpalastbrandes, wurde Michael Memelauer Bischof von St. Pölten. Aus der Politik hielt er sich heraus, auch dem "Ständestaat" gegenüber hegte er ein gesundes Misstrauen. Seine Aufgabe sah er als Seelsorgebischof, der "die Christen" vor dem "Sämann des Unkrauts" warnen wollte.

Dieser Sämann war für ihn - wie für die meisten Katholiken seiner Zeit - der Bolschewismus. Aber Memelauer begegnete auch anderen Ideologien mit Misstrauen. Ab 1933 war er aus den Akten der Bischofskonferenz über die Verbrechen der Nationalsozialisten genau informiert . Er warnte.

Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich erklärte Memelauer wiederholt, dass er an die neuen Machthaber keinen Gruß unterschreiben wolle. Erst als man ihm erklärte, ein "Alleingang" sei unmöglich, leistete er eine Unterschrift. Misstrauisch blieb er - und mutig.
So etwa am Silvesterabend 1941 in St. Pölten. Mit klaren Worten geißelte er die neuen Herren. Memelauer: "Vor unserem Herrgott gibt es kein unwertes Leben. Man mag uns das noch so sehr beweisen wollen, man mag uns das im Film verherrlichen, die Euthanasie ist und bleibt ein Eingriff in die Gottesrechte."

Memelauer weiter: "Auch der Unglückliche, dessen Sinne verwirrt sind, auch das Kind, das verkrüppelt auf die Welt kommt, auch der Kranke und Sieche hat ein Recht auf das Leben. Er verdient Umsorge und Liebe." So weit der St. Pöltner Bischof in seiner Silvesterpredigt 1941 - lange vor der Niederlage von Stalingrad und dem Umdenken, das diese bewirkte.
Die Silvesterpredigt von Bischof Memelauer ist sträflich unbekannt. Der spätere Kardinal König war Mitarbeiter Memelauers in St. Pölten - har er von ihm gelernt? Seine Tradition fortgeführt?

Der Mut des St. Pöltner Bischofs im Jahr 1941 überragt viele. Seine Silvesterpredigt hat mehr Andenken verdient. Vielleicht entschließt sich die Kirche irgendwann, sie einmal als Broschüre zugänglich zu machen.

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Giacomo Puccini/1858 - 1924
Album: OPER OHNE WORTE - DIE SCHÖNSTEN ARIEN IN ORCHESTERFASSUNG
Titel: Che gelida manina/instr. / Arie des Rodolfo aus der Oper in 4 Akten "La Boheme" / 1.Akt / Orchesterfassung
Anderssprachiger Titel: Wie eiskalt ist dies Händchen
Orchester: Andre Kostelanetz
Leitung: Andre Kostelanetz
Orchester: Orchestra
Länge: 02:00 min
Label: Columbia / Sony SK 52556

weiteren Inhalt einblenden