Zwischenruf

von Pfarrerin Daniela Schwimbersky (Wien)

Langsam wird es Zeit. Zeit für die Kinder, ihre Christkindbriefe zu schreiben. In vielen Familien werden Spielzeugkataloge gewälzt. Es wird gewünscht ohne Ende.

Auch unter den Erwachsenen geht die Frage um: Was wünscht du dir denn zu Weihnachten? Ja, was bloß. Was kann es denn heuer sein. Da schleicht sich das Gefühl ein, ich sollte mir dringend etwas ausdenken, damit nicht am Ende das 15. Paar Handschuhe unter dem Weihnachtsbaum liegt.

Doch das Wünschen fällt mir schwer, besonders angesichts der vielen Menschen, die auf der Suche nach Schutz nach Österreich kommen. Was soll ich mir da noch wünschen, darf ich das überhaupt noch? Ich, die ich ein Teil eines ausbeuterischen, weltumspannenden Systems bin, aus dem ich nicht herauskomme, auch dann nicht, wenn ich dieses System gar nicht unterstützen will. Darf ich mir noch etwas wünschen? Meine Grundbedürfnisse nach Sicherheit, ein Dach über dem Kopf, ausreichend Nahrung, nach einer liebenden Familie, nach sozialen Kontakten sind gut gestillt. Dafür danke ich allen, die mich umgeben und ich danke Gott dafür. Ich bin in einem Land geboren, das dies alles möglich macht.

Ist das aber Grund genug, mir das Wünschen zu verbieten? Ich möchte auf das Wünschen nicht verzichten. Aber ich möchte gut überlegen und mir den Spruch zu Herzen nehmen, der mir bei der amerikanischen Fantasy-Schriftstellerin Marion Zimmer Bradley über den Weg lief: Bedenke gut, was du dir wünschst, es könnte wahr werden. Ich muss in mich hineinhören. Solche Wünsche sind nicht im Vorbeigehen schnell auf ein Papier gekritzelt. Das Wünschen führt mich hinein in das Innerste meiner Sehnsucht und führt mich gleichzeitig hinaus in die weite Welt.

Aber darf ich dann noch hoffen, dass diese Wünsche auch in Erfüllung gehen oder tragen sie mich in ein Land der Fantasie, das mit meinem Alltag, mit meinem Leben, mit meiner Welt keine Verbindung mehr hat. Ich behaupte jetzt einfach einmal das Gegenteil. Meine Wünsche binden mich an meinen Alltag, an meine Welt. Ich gehe auf Tuchfühlung mit den wichtigen Dingen: Ängste lasse ich zu, Ungeklärtes nehme ich unter die Lupe, ich frage nach Sinn und Ziel.

Große Wünsche sind das, die sich hier formen. Waffenproduktion einstellen, friedliche Verhandlungen in Krisengebieten, Kaufwahnsinn unterbrechen. Und ganz kleine: wenn sich zwei streiten, ein vermittelndes Wort und kein dritter, der sich freut, eine Umarmung, ein Besuch. Aber wer soll diese Wünsche erfüllen? Welche Adresse bekommt meine Wunschliste, hat sie überhaupt einen Adressaten?

Auf den Christkindbriefen vieler Kinder werden die Wünsche sicherheitshalber schon vorab eingeteilt, es wird personenorientiert gewünscht. Das Spiel von der Oma, die coole Haube vom Onkel, und einen finanziellen Beitrag zum Snowboard von den Eltern. So stehen die Chancen doch recht gut, dass die Wünsche erfüllbar bleiben und auch in Erfüllung gehen.

Wer kann meine Wünsche erfüllen? Ich suche nach einem Gegenüber, das meine Wünsche teilt. Zu zweit geht das Wünschen leichter, besonders bei den kleinen Wünschen.

Aber was tu ich nun mit meinen großen Wünschen, an wen sollen sie sich richten? Ich muss mich in Bescheidenheit üben und in Geduld. Mit meinen Wünschen habe ich nicht automatisch das Recht auf Erfüllung gepachtet. Mit meinen Wünschen möchte ich aber selbst wachsen, manchmal sogar über mich hinaus.

Und ich hoffe, dass in Zeiten, in denen die Bäche anschwellen und zu reißenden Strömen werden, in denen die Brücken zerbrechen und die Fähren untergehen, ich hoffe, dass Schillers Bürgschaft recht behält auch in unserer Zeit, dass die Mutigen sich trauen, das Toben zu durchbrechen und ein Gott sich erbarmt.

Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: John Lennon
Komponist/Komponistin: Paul McCartney
Album: THE ART OF THE TRIO, VOL.1 - BRAD MEHLDAU
Titel: Blackbird/instr.
Solist/Solistin: Brad Mehldau /Piano m.Begl.
Ausführender/Ausführende: Larry Grenadier /Bass
Ausführender/Ausführende: Jorge Rossy /Drums
Länge: 00:20 min
Label: WB 9362462602

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