Gedanken für den Tag

2. Dezember 2015, 06:56

Ich entstamme einer Familie, in der uns Kindern alle zwei Jahre der neue Wintermantel, der als Weihnachtsgeschenk gedacht war, Ende August gekauft wurde, weil wir da Zeit hatten, in die Stadt zu fahren und einzukaufen. Lebkuchen gab es in der örtlichen Fabrik ab September und wir konnten es kaum erwarten, sie zu probieren. Und manche Weihnachtsgeschenke erhielten wir erst am zweiten Weihnachtsfeiertag, wenn Ruhe eingekehrt war und meine Mutter den Überblick und damit die Erinnerung über die Verstecke zurückgewonnen hatte.

Dieses leicht Antizyklische und Entmythologisierte, mit dem ich groß geworden bin, liebe ich in Bezug auf Advent und Weihnachten noch heute. Selber besorge ich die Geschenke oft schon im Sommer. Ins Gejammere über Christstollen und andere Weihnachtsaccessoires im Oktobersortiment der Supermärkte kann ich nicht einstimmen, ganz im Gegenteil. Advent und Weihnachten werden nicht christlicher, wenn ich Lebkuchen erst im Dezember kaufe und das Christkind die Geschenke pünktlich unter den Baum legt. Die heile Welt und der Weihnachtsfrieden rücken nicht näher, wenn ich echte Bienenwachskerzen anzünde, 15 Sorten Kekse backe und mein Adventkranz in den Farben der Saison dekoriert ist. Ganz im Gegenteil: Der Stress wird eher größer.

Auch wenn ich den Advent und die Weihnachtstage noch so gut inszeniere, bietet das keine Garantie, dass ich das Besondere, das Außergewöhnliche erlebe. Es macht mir nur meine Sehnsucht deutlich. Nach Wärme und Geborgenheit, nach Licht und Schönheit, nach dem Einbruch einer anderen Welt und dem offenen Himmel, nach Frieden auf Erden und Gott in Reichweite, wenigstens jetzt.

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler