Gedanken für den Tag

"Was bleibt von uns, wenn wir gehen?" Gestaltung Alexandra Mantler

Lebensmasken

von Cornelius Obonya, Schauspieler

Als man mir den Gips für den Abdruck für diese Totenmaske für die Caritas-Aktion aufs Gesicht gedrückt hat und wenn es dann so finster wird um einen herum und die Augen werden auch geschlossen und man hat nur noch die beiden Nasenlöcher zum Atmen, das Einzige, was einem von der wirklichen Totenmaske oder vom Zustand des Todes dann abhält, das war eigentlich eine schöne, eine ruhige Erfahrung. Denn ich kam für diese paar Minuten, die das zum Trocknen brauchte, tatsächlich zur Ruhe. Und in dieser Ruhe habe ich dann tatsächlich begonnen darüber nachzudenken: Was ist denn das? Was bleibt denn? Was bleibt wirklich?

Wenn dann irgendwann einmal diese Totenmaske . Es gibt im Burgtheater diese aufgelegten, ausgestellten Totenmasken in Vitrinen von berühmten Kollegen aus alter Zeit. Und dann denkt man sich: Naja, wenn Du dann vielleicht doch irgendwann ein wirklich berühmter Schauspieler wirst, den man für wert befindet, dass man dessen Totenmaske aufheben sollte, ist das dann das, was über bleibt? Ist es das? Sollte es das sein? Ähm. Ja. Vielleicht. Auch. Nicht wirklich wichtig.

Was vielleicht über bleibt, sollten vielleicht Gedanken sein, die man sich einmal gemacht hat, die man vielleicht weitergegeben hat ans eigene Kind, vielleicht an andere Menschen. Über bleibt vielleicht, dass sich irgendjemand einmal an eine Rolle erinnert, die man gespielt hat, in der man diesenjenigen Menschen tatsächlich berührt hat. Das wäre in meinem Fall das, was über bleibt.
Und wenn man dann ein paar Monate später plötzlich den Jedermann spielt und tatsächlich mit Erde bedeckt am Ende ebenfalls, nicht als Totenmaske, aber dann in seinem eigenen Grab versucht zu sein und es wird wieder finster um einen, dann muss man sich wieder Gedanken machen: Was bedeutet das? Was bleibt über? Bist Du in einer letzten Todesstunde bereit so zu gehen, dass Du mit niemandem mehr ein Hühnchen zu rupfen hast, beziehungsweise dass Du Leute vielleicht noch kontaktieren solltest, die mit Dir ein Hühnchen zu rupfen haben oder wo Du mal Unrecht hattest?

Und in dieser Dunkelheit, wenn die Augen geschlossen werden, wenn die Maske sich über dem Gesicht verhärtet, dann weiß man, dass nur noch das als letztes Bild über bleibt. Ist dieses Gesicht eines, das man gerne ansehen wird? Oder kann man aus dieser Maske später vielleicht einmal Häme herauslesen, Hass herauslesen? Dinge, die man in seinem Leben nicht geregelt hat, aber die dann aus der Totenmaske heraus unter Umständen sehr genau zu sehen sein werden, für Menschen, die diese Totenmaske dann irgendwann anschauen und sagen: Na, das ist ein komisches Gesicht, da ist doch irgendwas falsch dran. Und das möchte ich - hoffentlich - nicht.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Claude Debussy/1862 - 1918
Titel: La Fille aux cheveux de lin / Nr.8 aus "Preludes I, 12 Stücke für Klavier"/ Bearbeitung für Kammerorchester
Anderssprachiger Titel: Das Mädchen mit dem flachsgelben Haar
Leitung: James Galway
Orchester: Chamber Orchestra of Europe
Solist/Solistin: James Galway /Flöte
Solist/Solistin: Marisa Robles /Harfe
Solist/Solistin: Graham Oppenheimer /Viola
Länge: 02:00 min
Label: RCA RD87173

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