Radiokolleg - Ein Brückenbauer der Wissenschaften

Der Physiker und Philosoph Ernst Mach (1). Gestaltung: Sabrina Adlbrecht

Die "Mach-Zahl", die das Verhältnis der Bewegungsgeschwindigkeit eines Körpers zur Schallgeschwindigkeit beschreibt, ist nach ihm benannt, ebenso wie die "Machschen Streifen", ein Kontrastphänomen in der visuellen Wahrnehmung. Und doch ist mit den beiden Begriffen, die untrennbar mit Ernst Mach verbunden sind, das Forschungsspektrum dieses Wissenschafters nicht einmal ansatzweise erfasst.

1838 nahe Brünn geboren, studierte Ernst Mach Mathematik und Naturwissenschaften an der Universität Wien. Eine erste Professur erhielt er in Graz, danach ein Ordinariat für Experimentalphysik an der Universität Prag. Dort entstanden auch seine richtungsweisenden Arbeiten zu Aero- bzw. Gasdynamik, zur Sinnesphysiologie und schließlich zum Empiriokritizismus - einer philosophischen Richtung, die die These einer unabhängig vom Bewusstsein existierenden Objektwelt als metaphysische Annahme ablehnt und in der Sinneserfahrung die einzige Erkenntnismöglichkeit sieht. Vor wissenschaftsfeindlicher Subjektivität, so das Credo des überzeugten Positivisten, bewahre den Forscher nur die Empirie.

Kaum ein anderer Wissenschafter hatte zu seiner Zeit eine derart große Breitenwirkung wie Ernst Mach. Die Mitglieder des "Wiener Kreises" bezogen von ihm wichtige Impulse; er beeinflusste die ästhetischen Vorstellungen des Literatenzirkels "Jung Wien", und Robert Musil setzte sich in seiner Dissertation mit Machs Lehren kritisch auseinander; zudem wirkten sich seine Ideen auf den Rechtspositivismus eines Hans Kelsen ebenso aus wie auf die zeitgenössische marxistische Philosophie: Die erkenntnistheoretischen und "metaphysischen" Grundlagen des Marxismus drohten dadurch erschüttert zu werden, was zu heftiger, auch publizistischer Kritik Lenins führte.
Das moderne physikalische Denken beeinflusste Mach am meisten durch seine fundamentale Kritik der Newtonschen Mechanik. Albert Einstein betrachtete ihn damit als wichtigen Impulsgeber für seine Allgemeine Relativitätstheorie.

Nicht zuletzt kann der am 19. Februar 1916 verstorbene Ernst Mach durch sein geradezu selbstverständliches Oszillieren zwischen Natur- und Geisteswissenschaften als Pionier der Transdisziplinarität betrachtet werden, die im heutigen Wissenschaftsbetrieb besonders betont wird. Ein Porträt zum 100. Todestag.

Service

Johann Dvorak: Ernst Mach - Ein "moderner Materialist"? Zur wissen-schaftlichen Methode bei Marx, Engels und Mach. In: Rudolf Hal-ler/Friedrich Stadler (Hg.): Ernst Mach. Werk und Wirkung. Verlag Hölder-Pichler-Tempsky, Wien, 1988. S.329 -341.
Christoph Limbeck-Lilienau/Friedrich Stadler: Der Wiener Kreis. Texte und Bilder zum Logischen Empirismus. Emigration - Exil - Kontinuität. Schrif-ten zur zeitgeschichtlichen Kultur- und Wissenschaftsforschung, Band 12. LIT Verlag, Wien, 2015.
Karl Sigmund: Sie nannten sich Der Wiener Kreis. Exaktes Denken am Rand des Untergangs. Springer Verlag, Wiesbaden, 2015.
Rudolf Haller/Friedrich Stadler (Hg.): Ernst Mach. Werk und Wirkung. Verlag Hölder-Pichler-Tempsky, Wien, 1988.
Wolfram Swoboda: Physik, Physiologie und Psychophysik - Die Wurzeln von Ernst Machs Empiriokritizismus. In: Rudolf Haller/Friedrich Stadler (Hg.): Ernst Mach. Werk und Wirkung. Verlag Hölder-Pichler-Tempsky, Wien, 1988. S. 356 - 403.
Robert Musil: Beitrag zur Beurteilung der Lehren Machs und Studien zur Technik und Psychotechnik. Rowohlt, 1980.
W.I. Lenin: Materialismus und Empiriokritizismus. Lenin Werke, Band 14, Berlin 1970.

Ernst Mach Studienausgabe - bisher erschienen:
Band 1: Die Analyse der Empfindungen. Herausgegeben von Gereon Wolters, Xenomoi-Verlag, Berlin, 2011.
Band 2: Erkenntnis und Irrtum. Skizzen zur Psychologie der Forschung. Hrsg. von Elisabeth Nemeth und Friedrich Stadler, Xenomoi-Verlag, Ber-lin, 2011.
Band 3: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Historisch-kritisch dargestellt. Hrsg. von Gereon Wolters und Giora Hon, Xenomoi-Verlag, Berlin, 2012.
Band 4: Populärwissenschaftliche Vorlesungen. Hrsg. von Elisabeth Nemeth und Friedrich Stadler, Xenomoi-Verlag, Berlin, 2014.

Literatur von und über Ernst Mach im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Kurzbiografie und Verweise auf digitale Quellen im Virtual Laboratory des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte (englisch)
Ernst Mach: Antimetaphysische Vorbemerkungen (Digitalisierung: Alois Payer), ursprünglich erschienen in: Ders.: Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis der Physi-schen zum Psychischen, 2., verm. Aufl., Fischer, Jena 1900 Die erste Auflage erschien 1886 u.d.T.: Beiträge zur Analyse der Empfindung, Neudruck 9. Aufl. von 1922 mit einem Vorwort von Gereon Wolters: Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1985.
Ernst Mach: Die Mechanik in ihrer Entwicklung - Historisch kritisch dargestellt.
Deutsches Museum: Wissenschaftliche Fotografie bei Ernst Mach
Gereon Wolters, Vorwort: Ernst Mach - Erkenntnis und Irrtum.

Sendereihe