Gedanken für den Tag

von Hubert Feichtlbauer, Publizist. Zum 100. Geburtstag des Kulturphilosophen Friedrich Heer. Gestaltung: Alexandra Mantler

Erziehung zu Europa

Wie weit sind wir in der Geschichte schon? Friedrich Heer ist überzeugt: erst am Anfang.

"Ich glaube seit meiner Kindheit, dass alles Menschliche zusammenhängt. Alles Menschsein ist für mich einfach dies: Die Menschen bilden einen gemeinsamen Großkörper, mögen sie es wissen oder nicht, mögen sie es wollen oder nicht. Alle Menschen bilden einen einzigen Lebensprozess. Die Geschichte des Menschen beginnt eben erst."

Das ist Friedrich Heers Evolutionsphilosophie. Zu den Beiträgen Österreichs zur Bildung Europas zählt er auch die Vermeidung einer letzten Zerklüftung des europäischen Menschen in eine östliche und westliche oder in eine nördliche und südliche Hemisphäre. Und fast prophetisch sah er von Anbeginn voraus:

"Es ist leicht, Europäer ,oben' zu sein, es ist schwer, Europäer ,unten' zu sein, wo uralter Volkshass, Volksangst schwelgt. Gerade solche, die oben agieren, kennen ihr Herz kaum. In einer Krise entdecken sie plötzlich, wie das Herz nicht nur in den Massen, sondern in ihnen selbst wach wird. Über Nacht werden da (auch) sehr gebildete, sehr gepflegte gute Europäer zu Agenten des Hasses, zu Managern einer bösartigen Propaganda. Alle Erziehung von oben her, alles Berieseln von oben mit Ideologien, Europa-Ideen, Europa-Parolen, hat wenig guten Sinn. Erziehung zum Europäer muss in die Massen dringen."

Friedrich Heer verlangt für ein solches Ziel nichts weniger als eine Umstellung der Schulen und eine Erfassung des ganzen Menschen in allen Lebensbereichen. Erziehung zur "Verantwortung des Lebens, des Lebens des Anderen, des Mitmenschen, und des eigenen Lebens im Angesichte des Todes" hält Heer für ein "Leitmotiv österreichischer Bildung".

Da hat er in letzter Zeit, wenn er von Wolke 7 aus auf uns herüberblickte, wohl häufig verwundet und verwundert sein Haupt verhüllt.

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Titel: GFT 160406 Gedanken für den Tag / Hubert Feichtlbauer
Länge: 03:49 min

Komponist/Komponistin: Robert Schumann/1810 - 1856
Titel: Sonate für Klavier Nr.1 in fis-moll op.11
* Aria - 2.Satz (00:02:53)
Klaviersonate
Solist/Solistin: Helene Grimaud /Klavier, Steinway
Länge: 02:00 min
Label: Denon 33 CO 1786

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