Gedanken für den Tag

von Hubert Feichtlbauer, Publizist. Zum 100. Geburtstag des Kulturphilosophen Friedrich Heer. Gestaltung: Alexandra Mantler

Brennender Dornbusch

Sein katholischer Glaube war Friedrich Heer unaufgebbares Element seiner Identität. Symbol dieses seines Glaubens war ihm der brennende, aber nicht verbrennende Dornbusch, aus dem heraus der Herr mit Mose sprach. Der Sozialwissenschaftler Leopold Rosenmayr erblickte dahinter den "auf Selbstreinigung bedachten Geist" Heers, der unter "kirchlich vermittelten Schuldgefühlen", wie er es ausdrückte, gelitten habe.

"Jeder Mensch ist ein brennender Dornbusch", fand Heer, der auch bei seinem Reden von der "dreisonnigen Gottheit" das Feuer der Sonne als göttliche Chiffre beschwor. Von seiner Kirche freilich verlangte er ein neues Selbstverständnis, eine Offenheit gegenüber der "Welt" und ihren Sachbereichen, gegenüber Frauen, Geschlecht, Liebe, gegenüber den anderen Weltreligionen und Offenheit auch gegenüber einem "atheistischen Humanismus". Heer meinte damit, was wir heute lieber Agnostizismus nennen. Auf diese Weise machte er Glaubende und Skeptiker zu Geschwistern im Geist: Auch zum Glauben gehört das Zweifeln, und auch zu den Agnostikern gehört ein gelegentliches: "Aber lachen tät´ ich, wenn."

Friedrich Heer war ein sinnenfreudiger Mensch. Dann aber wieder gestand er: "Ich bin ein Kind der Angst." Er fühlte sich missverstanden von seiner Kirche, von CV und ÖVP und den meisten seiner Kollegen in der Wissenschaft. Zwei von ihnen haben noch nach seinem Tod ihre Heer-Schau korrigiert, fanden seine Selbstdarstellung als Anti-Nazi-Widerstandskämpfer übertrieben und einige Beispiele dazu als glatt erfunden. Flugs versammelten sich die Anhänger Heers um ihren Helden und fragten, ob damit die nach 1945 geradlinig verfochtene ungeheure Leistung des Politik-, Welt- und Kirchenreformers denn damit ausgelöscht worden wäre?

Angst hin, Angst her: Der Bildhauer Fritz Wotruba urteilte über seinen Freund Fritz Heer: "Er war das mutigste Espenlaub, das ich je zittern sah."

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Titel: GFT 160408 Gedanken für den Tag / Hubert Feichtlbauer
Länge: 03:49 min

Komponist/Komponistin: Robert Schumann/1810 - 1856
Titel: Arabeske für Klavier in C-Dur op.18
* Minore I (00:02:54)
Solist/Solistin: Stanislav Bunin /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: DG 4273152

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