Gedanken für den Tag

von Hubert Feichtlbauer, Publizist. Zum 100. Geburtstag des Kulturphilosophen Friedrich Heer. Gestaltung: Alexandra Mantler

Der Weltdialog

Morgen also, am Sonntag, 10. April 2016, wäre Friedrich Heer 100 Jahre alt geworden. Um die 50 Bücher, darunter auch einige Romane, weit über 100 Essays aus "Wort und Wahrheit", "Neues Forum" und vor allem der "Furche", die Heer ab 1946 fünfzehn Jahre redaktionell leitete, füllen seinen Nachlass. Zuletzt fand er noch Aufnahme im Burgtheater als Dramaturg - der Direktor sagte: "als brüderlicher Störenfried".

Bis zuletzt ist er ein Besessener des Schreibens geblieben. Ein durch Behämmern der Schreibmaschinentasten eingewachsener Fingernagel und der Spitzname "Rapidograph" bezeugen seine Leidenschaft, seinen Geist auf Papier explodieren zu lassen.

Es gibt sehr zu denken, dass wir heute in Ghettos leben, das heißt in geschlossenen Cliquen, die geschlossene Gesellschaften darstellen. Jede geschlossene Gesellschaft ist ein Feind einer inneren Fortschrittlichkeit, einer inneren guten Unruhe. Ich glaube, dass die Denker Chinas, Indiens, Japans, Europas alle, alle miteinander sprechen. Sie führen ein ständiges Geistgespräch. Sie bilden einen Energieprozess, in dem sich lange nach ihrem physischen Ableben ihr geistiges Werk verbreitet.

Das gilt auch von Friedrich Heer, der dies im Jahr seines Todes, 1983, schrieb. In vielem war Friedrich Heer ambivalent: Er suchte den Konflikt und gleichzeitig die Anerkennung. Noch in seinem Spitalszimmer haben einander Repräsentanten vieler Denkrichtungen die Türklinke in die Hand gegeben. Persönlichen Freunden rief der Leukämiepatient zu: "Umarme mich, Krebs ist nicht ansteckend!" Er selbst war es schon. Das Bewusstsein der Familienzusammengehörigkeit von Christen und Juden, das Zusammenwachsen der Völker und der großen Religionen, der Dialog als Überlebensstrategie der Menschheit sind unverzichtbar geworden. Die wiederholt geäußerte Hoffnung Friedrich Heers auch:

"Die Sache des Menschen ist noch nicht verloren."

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Robert Schumann/1810 - 1856
Titel: FANTASIESTÜCKE FÜR KLAVIER, op.12
* Nr.1 Des Abends (00:03:46)
Solist/Solistin: Alfred Brendel /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: Philips 4110492

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