Gedanken für den Tag

von Doris Schretzmayer, Schauspielerin. "Mutterseelen-gemeinsam". Gestaltung: Alexandra Mantler

Vor einigen Wochen bin ich in einer Runde mit Freunden gesessen und es wurde diskutiert, worauf man wirklich stolz sei. Eine Ausbildung durchgezogen. Das Auflösen eines familiären Konflikts. Trotz Widrigkeiten den beruflichen Weg mutig weitergegangen. Ein humanitäres Engagement über einen langen Zeitraum angenommen. Eine Beziehung gerettet. Zivilcourage gezeigt. Einen Sterbenden bis zuletzt begleitet.

Ich hörte die Erlebnisse meiner Freunde und merkte, dass es auch einiges gibt, worüber ich mich freute. Aber das war's noch nicht. In meinen Gedanken teilte ich die Erlebnisse ein in die Lebensabschnitte: vor und nach dem Kind, wie war ich davor, wie ist es seither. Ich suchte das eine Ereignis, in das alle anderen Ereignisse einfließen.

Ich habe heute manchmal das Gefühl, dass Frauen um keinen Preis der Welt auf das Muttersein reduziert werden wollen. Das will ich auch nicht. Aber ich will das Muttersein auch nicht kleiner machen als es ist. Mit allen Hochs und Tiefs, Glücksgefühlen und tiefen Zweifeln ist es das, was mich immer mehr zu dem Menschen macht, der ich bin.
"Werde, der du bist" formulierte der griechische Dichter Pindar 500 v. Chr.
Und diesem Werden hat mein Sohn einen Turbo eingebaut:

Meine Grenzen aufspüren und sie dem Kind gegenüber liebevoll vertreten, nicht nur die Talente und Freuden meines Kindes entdecken, sondern auch die eigenen weiterhin aufspüren und entwickeln; als Familie neue tolle Wege gehen, statt in der ausgetrampelten "Vater Mutter Kind"-Ecke erstarren; mit dem Kind Mama sein und mich mit dem Vater des Kindes weiterhin als Frau fühlen; Hilfe suchen und annehmen, über die eigenen alten Wunden frisches grünes Gras wachsen lassen. Als Mutter die eigene Mutter in völlig neuem Licht sehen - und auch feststellen, dass der Hut, unter den man alles kriegen möchte, nie groß genug ist.

Das alles sind Lektionen, für die es Jahre braucht, die für mich von hohem Wert sind und die in alle Lebensbereiche einfließen.

Und die eingangs erwähnte Frage meiner Freunde "auf welche Leistungen sind wir wirklich stolz" - kann ich beantworten mit: Muttersein. Wobei sich die "Leistung" wie ein Geben anfühlt und das "stolz sein" wie ein Empfangen.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Andre Previn/geb.1929
Album: TANGO SONG AND DANCE: ANNE-SOPHIE MUTTER, ANDRE PREVIN, LAMBERT ORKIS
* Song. Simply - 2.Satz (00:04:57)
Titel: Tango Song and Dance - für Violine und Klavier
Solist/Solistin: Anne Sophie Mutter /Violine
Solist/Solistin: Andre Previn /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: DG 4715002

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