Gedanken für den Tag

von Doris Schretzmayer, Schauspielerin. "Mutterseelen-gemeinsam". Gestaltung: Alexandra Mantler

Manchmal muss ich es 10, 20 oder 30 Mal sagen, bis mein 9-jähriger Sohn endlich mit den Hausaufgaben beginnt, die Haustiere füttert oder mit dem Ballspielen im Wohnzimmer aufhört. Ich wiederhole und wiederhole meinen Wunsch, der einen reibungslosen Alltag oder eine Schonung der Nerven garantieren soll, bleibe aber scheinbar ungehört - und irgendwann hängt der Zeitplan oder der Haussegen schief und ich reagiere, wie ich eigentlich nicht reagieren will: leicht genervt und mit so einem Ton in der Stimme, den ich nicht unbedingt an mir mag.

"Wer nicht hören will, muss fühlen" fällt mir ein und ich frage mich, wie ich mein Gegenüber, in diesem Fall meinen Sohn, spüren lassen könnte, was mir gerade so wichtig ist.

Natürlich gibt es diese Tage, an denen alles sehr harmonisch läuft - dann sitzen wir zum Beispiel abends in der Küche, kochen und probieren neue Speisen aus und reden über Gott und die Welt und was wir erlebt haben. "Jetzt bist du so richtig mamig", sagte mein Sohn vor ein paar Tagen in so einer Situation zu mir. Ich musste lachen, denn "mami" sagt er zu mir, wenn er sehr zufrieden ist, glücklicherweise oft. Was bitte heißt "mamig sein"? frage ich. - "Na wenn du so ruhig und nicht aufgeregt bist und wir so miteinander reden."

In den folgenden Tagen wurde dieses "mamig sein" zu einem seiner Lieblingsbegriffe und vor allem zu seinem Lieblingszustand. "Jetzt bist du total mamig", meinte er, wenn wir wieder so fein beieinander waren und Zeit keine Rolle spielte und wir lachten viel über diese Wortschöpfung und ich versuchte, noch mamiger zu sein.

Und ich dachte auch über das nach, was er damit benennt. Wahrscheinlich ist es das "präsent sein", das er damit meint, das "so wie man ist, da sein": ohne Blick aufs Handy, ins Internet und in den Kalender. Nur da sein, wo man ist und nicht drei Schritte voraus.

Nun kann das natürlich kein Daueranspruch sein, aber das Zusammensein macht natürlich umso mehr Freude, je öfter man Phasen hat, in denen es weniger ums "funktionieren" als ums "da sein" geht. Wenn ich mit mir selbst gut in Kontakt bin, gelingt auch der Kontakt zu meinem Gegenüber, zu meinem Kind. Und es kommt an, was ich sage. "Wer nicht hören will, muss fühlen" könnte vielleicht auch heißen: Wer sich selbst spürt, hört sich selbst und wer sich selbst fühlt, wird gehört.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Johannes Brahms/1833 - 1897
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Joseph Joachim /Arrangement/1831 - 1907
Album: TANGO SONG AND DANCE: ANNE-SOPHIE MUTTER, ANDRE PREVIN, LAMBERT ORKIS
* Allegro molto - Tanz Nr.1 in g-Moll (00:03:29)
Titel: Drei Ungarische Tänze - Transkription für Violine und Klavier
Solist/Solistin: Anne Sophie Mutter /Violine
Solist/Solistin: Lambert Orkis /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: DG 4715002

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