Gedanken für den Tag

von Topsy Küppers, Schauspielerin und Autorin. "Jedes Wort hinterlässt eine Spur" - Zum 100. Todestag des Dichters Scholem Alejchem. Gestaltung: Alexandra Mantler

Scholem Alejchem - Friede sei mit Euch! Diesen Alltagsgruß russischer Juden nahm der Dichter Schalom Rabinowicz als Pseudonym an. Ja, ja, ich weiß, Sie wissen auch - DAS Musical von Scholem Alejchem! "Wenn ich einmal reich wär . ajeijai .". Wer kennt diese Ohrwürmer nicht? Wer liebt "Anatevka" oder "Fiddler on the roof" nicht?

Der Siegeszug des Musicals, das 1964 in New York uraufgeführt wurde, und 1968 in deutscher Sprache Premiere hatte, ist bis heute ein Renner, in den fragwürdigsten Inszenierungen. Ist das so? Es ist NICHT so!

Das Musical ist nicht von dem ausschließlich in Jiddisch schreibenden Dichter Scholem Alejchem, sondern von Josef Stein. Josef Stein, der - wie ich vermute - Jiddisch lesen oder verstehen konnte, fand im Nachlass des Dichters sieben Erzählungen. Kleine Monologe, die Scholem Alejchem wahrscheinlich im Jahr 1894 unter dem Titel "Tewje, der Milchige" schrieb.

Tewje, der Milchige, war der Händler, der die Familie Rabinowicz mit Butter und Käse versorgte und bereits als kleiner Junge war Schalom von diesem naiv-frommen Milchhändler fasziniert. Alejchem notierte einen Satz von Tewje, der immer sagte: "Ein Jude muss hoffen und immer hoffen, und wenn er dabei zugrunde geht."

Josef Stein übersetzte, oder ließ die kleinen Geschichten in Englisch übersetzen, und "baute" mit viel Fantasie und amerikanischem Know how das Textbuch zu "Fiddler on the roof!"

Aber was macht ein Musical zum Musical? Vor allem schmissige Musik und ein guter Autor für die Texte der Lieder. Ein Glücksfall für das Textbuch waren der Komponist Jerry Bock und der Autor Sheldon Harnick. Auch in ihren Liedtexten findet man keine originale Textzeile von Scholem Alejchem.

Ein goldener Tantiemenregen ergießt sich seit der Uraufführung über die Hersteller des Musicals, wovon allerdings keiner der Nachkommen der Familie Rabinowicz - und Scholem hatte sechs Kinder - einen Nutzen hat.

Der Dichter Scholem Alejchem starb am 13. Mai 1916 in ziemlicher Armut in New York. Er war so beliebt, dass an diesem Tag alle jüdischen Geschäfte geschlossen blieben.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Titel: GFT 160509 Gedanken für den Tag / Topsy Küppers
Länge: 03:49 min

Komponist/Komponistin: Jerry Bock/1928 - 2010
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Sheldon Harnick/geb.1924
Vorlage: Scholem Alejchem/1859 - 1916
Album: HEBREW MELODIES - JÜDISCHE MUSIK DES 20.JAHRHUNDERTS
Titel: If I were a rich man/instr. / aus dem Musical in 2 Akten "Fiddler on the roof / Anatevka" (Lied des Tevje, 1.Akt) / Bearbeitung für Violine und Orchester
Solist/Solistin: Valentin Zhuk /Violine
Orchester: Camerata Amsterdam
Leitung: Jeroen Weierink
Länge: 02:00 min
Label: Ars 38447

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