Tonspuren

"Her mit dem schirchen Leben!" Die Befindlichkeitsnotizen der Stefanie Sargnagel. Feature von Claudia Gschweitl

Sie ist der erklärte Liebling des Feuilletons, die Verlage reißen sich um sie, ihre Lesungen in Szene-Clubs sind ausverkauft. Momentan ist die Wienerin Stefanie Sargnagel das, was man gemeinhin als "Kultautorin" bezeichnen würde. Und das, obwohl sie gar keine Bücher im eigentlichen Sinne schreibt, sondern nur Statusmeldungen postet. Sargnagel ist die erste Facebook-Schriftstellerin überhaupt. Dabei wirkt ihr Auftritt in den sozialen Medien wie das genaue Gegenteil von der dort üblichen Selbstdarstellung: keine prahlerischen Urlaubsfotos und Duckface-Selfies mit Weichzeichner, keine überschwänglichen Erfolgsbekundungen, Fitness-App-Ergebnisse oder weisen Sprüche. Stattdessen dokumentiert sie die Tristesse im Gemeindebau, Fast-Food Fressanfälle in der Lugner-City, Verdauungsprobleme und Niederlagen sonstiger Art.

Ihr Debüt "Binge Living" aus dem Jahr 2013 versammelt ihre Facebook-Einträge und wurde mit 3.000 verkauften Exemplaren zum Überraschungserfolg des kleinen Wiener Verlags "Redelsteiner Dahimène Edition". Vom "Buch des Jahres" war die Rede, das Lifestyle-Magazin Vice nannte sie die "wichtigste österreichische Autorin des 21. Jahrhunderts." Der Nachfolgeband "Fitness" (2015) wurde auch von deutschen Kritikern gefeiert. Bis vor kurzem war die 30-jährige ehemalige Kunststudentin noch im Callcenter beschäftigt, der Erfolg lässt dies mittlerweile nicht mehr zu. Zu viele Kulturtermine stehen am Programm der selbsternannten "It-Sandlerin". Das stellt sie jedoch zunehmend vor ein Authentizitätsproblem: Jetzt, wo sie zum Star des Literaturbetriebs avanciert, könnten ihre Berichte aus dem Prekariat an Glaubwürdigkeit verlieren, befürchtet Sargnagel.

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