Radiokolleg - Leben im Loop

Die Kraft der Wiederholung (3). Gestaltung: Thomas Mießgang

"Uhren laufen im Loop, Zahnräder laufen im Loop. Leute laufen nach Uhren, sind im Loop gefangen!" schreibt der Lyriker Bas Böttcher in einem Gedicht. Und er endet mit den Worten: "Dieser Text läuft im Loop, dieser Text läuft im Loop, bis zum Break, bis zum Cut, bis zum Schluss." Schleifen bestimmen unser Leben, unseren Alltag, unsere Kunst: Man geht Tag für Tag auf den gleichen Wegen zur Arbeit, man dreht als Jogger im selben Park seine morgendlichen Runden, man ruft bei der Bank oder bei der Sozialversicherung an und hängt in der Tonbandschleife fest: "Bitte haben Sie noch einen Moment Geduld, der nächste freie Mitarbeiter ist gleich für Sie da." Auch im professionellen Sport gehört das serielle Prinzip zum Geschäft: Alle Jahre wieder das Abfahrtsspektakel auf der Streif und das ewige Derby Rapid gegen Austria. In den Rundkursen der Formel 1 hat der Loop sogar eine visuelle Metapher gefunden, was 1979 von Niki Lauda kritisch kommentiert wurde: "In meinem Leben gibt es Sachen, die wichtiger sind, als mit dem Auto im Kreis zu fahren." In der Kunst ist die Schleife allgegenwärtig: Stile wie Hip Hop und Techno aber auch die Minimal Music benutzen Samples als repetitive Klangzellen und bildende Künstler wie Donald Judd, Carl André und Piero Manzoni stellten visuelle Elemente zu "seriellen Formationen" zusammen. TV-Serien wiederum machen die Wiederholung mit Variationen zu ihrem erzählerischen Prinzip. Trotz der Allgegenwart des Loops in zeitgenössischen Lebenswelten haben die Schleifen kein allzu gutes Image: Sie stehen im Ruf, sich in der Variation des Altbekannten zu erschöpfen, schlimmer noch: Wiederholungstäter gelten als dem Fortschritt unzuträglicher, verzichtbarer Teil der Gesellschaft. Theodor W. Adorno sah die existenziellen Loops im Zusammenhang mit dem "einlullenden" Charakter der Massenmedien, Sigmund Freud verknüpfte damit die Vorstellung eines pathologischen, mit dem Tod verschwisterten Wiederholungszwangs. Doch man kann es auch ganz anders und weniger kulturkritisch betrachten: Der Medientheoretiker Tilman Baumgärtel hat ein Buch mit dem Titel "Schleifen" geschrieben, in dem er die These aufstellt, dass Loops in ihrer Redundanz nicht einfach ornamental oder "regressiv" sind. Indem sie den Augenblick wiederholbar machen, setzen sie dem Lauf der Zeit eine nichtlineare Alternative entgegen. In Sichtverbindung mit fernöstlichen Techniken der Versenkung und Tranceerfahrungen, die auf Wiederholung beruhen, können die Schleifen ein Gefühl von Konstanz und existenzieller Verankerung in einer Epoche der transzendentalen Obdachlosigkeit herstellen und den immer rasanter werdenden Fortschritt in mantraartigen Kreisbewegungen herunterbremsen. Das Radiokolleg setzt sich kritisch mit der Schleife als Konstante der Gegenwartsgesellschaft auseinander: Ist der Loop ein Traum, der in die Zukunft weist? Oder ein Alptraum, aus dem es kein Erwachen gibt?

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