Logos - Theologie und Leben

"Was glauben Sie?" - Der Tiroler Caritasdirektor Georg Schärmer. Gestaltung: Johannes Kaup

Barmherzigkeit heißt auf lateinisch "misericordia". Das bedeutet: ein Herz für jene zu haben, denen es miserabel geht. Spätestens seit Jesus erweist sich jener als "gerecht", der Hungernde speist, Durstige tränkt, Fremde beherbergt, Kranke pflegt und Gefangene besucht. Diese Form der Barmherzigkeit ist eine tragende Säule einer humanen Gesellschaft und ein Eckpfeiler des sozialen Friedens. Darauf verweist der Tiroler Caritasdirektor Georg Schärmer in seinem soeben im Tyrolia-Verlag erschienenen Buch "Herzschrittmacher - Wege der Barmherzigkeit". Die "les miserables" - die Armen, Vergessenen, Ausgegrenzten und Perspektivlosen - bezeichnet Schärmer als seine Auftraggeber.

Der Tiroler, der heuer seinen 60. Geburtstag feierte, gilt sowohl als sozialer Visionär als auch als kritischer Mahner gegenüber gesellschaftlicher Gleichgültigkeit und politischer Engstirnigkeit. Caritas bedeutet für ihn Hingabe und Solidarität zu leben. Deshalb ist für ihn Caritas nicht in erster Linie eine Organisation, sondern "die erste und größte soziale Kraft sind die Familienangehörigen, Freunde und Nachbarn", die Hingabe und Solidarität leben. Als Caritas-Direktor ist Schärmer für die Geschicke von über 40 Sozial- und Bildungseinrichtungen in Tirol verantwortlich sowie für viele Projekte der Entwicklungszusammenarbeit in zehn Ländern Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und Südosteuropas.

Der 1956 geborene Georg Schärmer, der einige Jahre wegen "Verhaltensauffälligkeit" fremduntergebracht wurde, wuchs auf einem Bauernhof bei Innsbruck auf, wo er durch harte Arbeit Geduld und Dankbarkeit lernte. Da einige seiner Angehörigen pflegebedürftig waren, erkannte Schärmer bald die Bedeutung von sozialer Arbeit. Er wurde zunächst Lehrer in Deutsch, Geschichte und Religion und engagierte sich ehrenamtlich vor allem in der offenen Jugendarbeit. In diese Zeit fallen der Aufbau von Jugendzentren, die Ausbildung von Jugendleitern und die intensive Betreuung von Suchtkranken bzw. deren Angehöriger. 1988 wurde er Direktor des Elisabethinums in Axams, einem Förderzentrum für körper- und mehrfachbehinderte Kinder, Jugendliche und deren Angehörige. Unter seiner Leitung entwickelte es sich zu einer Vorzeigeeinrichtung weit über Österreichs Grenzen hinaus. 1998 wurde Schärmer zum Caritasdirektor bestellt. Diese Aufgabe verfolgt er mit einer "radikalen Kooperationsstrategie". Er ist stolz darauf, dass die Caritas die meisten Projekte nicht allein betreibt, sondern immer in Zusammenarbeit mit anderen. Eines seiner Herzensprojekte ist die kostenlose medizinische Ambulanz für Menschen ohne Krankenversicherung, die Ende 2013 eröffnet wurde. Privat ist Georg Schärmer verheiratet und Vater zweier Söhne. Welche Rolle für den "Menschenliebhaber" und "Unruhebewahrer" sein Glaube spielt und woran er auch zweifelt, das hat ihn Johannes Kaup gefragt.

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