Radiokolleg - Beziehung ohne Ablaufdatum?

Was Paare auf Dauer zusammenhält (2). Gestaltung: Ute Maurnböck

In einer Beziehung zu leben, gehört zu unserem Kulturkreis. Zweisamkeit wird seit jeher zum Ideal stilisiert, Alleinleben gilt als Defizit, Trennung als Manko. Warum ist das so, wenn Scheidungen, Brüche, Liebeskummer so häufig sind?

Die Evolutionsbiologie ist der Meinung, dass die Primaten als erste Paarbeziehungen bildeten. Bis heute schweißt die Aufzucht des Nachwuchses zusammen, die schwierige Zeit hinterlässt aber auch oft Narben in der Beziehung oder führt zur Trennung.

Viele gehen, wenn "der Funke" nicht mehr da ist und wenn aus einem gemeinsamen Weg zwei einzelne geworden sind. Und an der nächsten Biegung könnte ja auch - macht uns die Konsumkultur glauben - Mister oder Miss Right warten. Als wäre es ein Leichtes, einen Seelenpartner, eine Seelenpartnerin zu finden. "Emotionalen Kapitalismus" nennt die Soziologin Eva Illouz diese Entwicklung. Inzwischen beenden Jugendliche ihre Liebschaften immer häufiger nicht mehr von Angesicht zu Angesicht, sondern per SMS oder Internet.

"Ein Leben lang", sagen Expert/innen, bedeutet vom biologischen Standpunkt aus betrachtet sechs Jahre, eine Beziehung auf Lebenszeit hat die Evolution nicht vorgesehen. Sechs Jahre Liebe und vielleicht auch Zusammenleben, bevor Luft und Lust draußen sind. In Österreich sind es statistisch gesehen sogar ein paar Jahre mehr. Rund zehn Jahre dauert eine Ehe durchschnittlich.

Dass Beziehungen heute wieder etwas länger halten, liegt daran, dass sich Paare heute auch nach vielen Jahren scheiden lassen - und vielleicht am "neuen Biedermeier". Wenn die Welt draußen furchteinflößend und unsicher scheint, ziehen wir uns zurück ins Nest und nehmen offenbar mehr Beziehungsstress in Kauf als in stabileren Phasen. Allein bleiben möchten aber dennoch die wenigsten, selbst wenn eine Beziehung scheitert. Der Trend seit einigen Jahrzehnten heißt "serielle Monogamie", auf einen Lebensabschnittspartner folgt der nächste.

Sind die Menschen heute beziehungsunfähiger geworden? Oder leben sie nur das, was biologisch ohnehin vorgesehen ist.

Das "Radiokolleg" fragt nach, was Paare über Jahre und Jahrzehnte zusammen hält und ob es Übereinstimmungen gibt, die langjährige glückliche Paare teilen? Oder ob es doch nur eine Illusion ist, dass die Liebe bleibt und irgendwann von pragmatischer Wertschätzung abgelöst wird.

Service

Jorge Bucay: Das Buch der Begegnung - Wege zur Liebe. Verlag Fischer 2016
Elisabeth Gatt-Iro, Stefan Gatt: Unverschämt glücklich. Wie ich und unsere Liebe in der Beziehung erblühen. Goldegg Verlag 2015
Eva Illouz: Der Konsum der Romantik. Edition Suhrkamp 1997
Eva Illouz: Warum Liebe weh tut. Verlag Suhrkamp 2012
David Schnarch: Die Psychologie sexueller Leidenschaft. Verlag Klett-Cotta 1997
Jürg Willi: Was hält Paare zusammen? Verlag Rowohlt 1991

Dr.in Ulrike Zartler
Dr.in Martina Egger-Schödl
DI Lukas Filz
DI Lukas Filz und Dr.in Martina Egger-Schödl
Dr.in Barbara Schweder

Sendereihe