Gedanken für den Tag

von Peter Roland, Pädagoge und Lektor in der evangelisch-lutherischen Kirche. "Martin Luther - ein Mensch". Gestaltung: Alexandra Mantler

Das Turmerlebnis

"Der Mensch hat nicht die Frage nach Gott - der Mensch ist die Frage nach Gott." Nach diesem Gedanken des dänischen Philosophen Kierkegaard war auch der Mensch Martin Luther ein Suchender, der sich mit der zusätzlichen Frage abquälte: "Wie kriege ich einen gnädigen Gott?"

Eines war ihm dabei klar geworden: Auch ein noch so gewissenhaftes Einhalten der Gebote würde ihn Gott nicht einmal um einen einzigen Schritt näher bringen, denn er kannte ja das Wort Jesu: Wer ein Gebot auch nur in Gedanken übertritt, ist bereits schuldig. Mit dieser Vorstellung wurde Luthers Verzweiflung nur noch größer, bis, ja bis er sein Turmerlebnis hatte. Im Turm des schwarzen Klosters zu Wittenberg stößt er in der Bibel auf einen Satz des Apostels Paulus, von dem er später schreiben wird: "Da fühlte ich, dass ich ganz und gar neu geboren bin und durch die geöffneten Pforten in das Paradies eingetreten war."

Paulus sagte, dass ein Mensch schon dadurch, dass er sich in vertrauendem Glauben in die Arme Gottes fallen lässt, gerettet ist, bedingungslos gerettet ist, gerettet für alle Ewigkeit. Es seien also nicht irgendwelche Leistungen, nicht sogenannte gute Werke, mit denen die Gnade Gottes erworben werden kann, es sei allein ein vertrauender, ja, ein kindlich vertrauender Glaube an die Liebe Gottes. Das ist der eigentliche Kern der Reformation.

Wenn Martin Luther scheinbar provokant sagt: "Sündige wacker, aber glaube umso mehr!", dann meint er damit: Niemand, wirklich niemand, kann sein Leben frei von Schuld leben. Das sei aber kein Grund zu verzweifeln, sondern wir sollen unser Menschsein, das eben immer ein sündenbeladenes ist, ganz bewusst als solches annehmen und der Gnade Gottes noch mehr vertrauen.

Also - wie viele Sünden werde ich heute begehen? Noch weiß ich es nicht, der Tag hat ja eben erst begonnen. Aber als evangelischer Christ bin ich überzeugt: Es kommt nicht auf meinen "großen Glauben" an, sondern auf meinen Glauben an einen großen - und das heißt vor allem auch - gnädigen Gott.

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Titel: GFT 160830 Gedanken für den Tag / Peter Roland
Länge: 03:49 min

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