Niki Glattauer

ORF

Gedanken für den Tag

von Niki Glattauer, Lehrer und Autor. "Das Gute im Sinn - ist das gut genug?" Gestaltung: Alexandra Mantler

Der Sozialforscher und Buchautor Bernhard Heinzlmaier sagte in einem Zeitungs-Interview: "Menschen sind ideologiefreie Wesen geworden, sie glauben an nichts mehr, außer an sich selbst und den Erfolg. Keiner glaubt mehr an Gott, an die christliche Soziallehre, an die Gemeinschaft."

Heinzlmaier beklagt also das Verschwinden der Ideologien. Damit stellt er sich wohltuend gegen den Zeitgeist, der Ideologien schlecht zu reden versucht. Auch im schulischen Kontext. Lehrerinnen, die sich für Chancengerechtigkeit einsetzen, kriegen zu hören: "Nicht schon wieder die Ideologiedebatte!" Als wären moralische Haltungen und Weltanschauungen - und nichts anderes bedeutet schließlich das Wort Ideologie - etwas Schlechtes.

Vom heiligen Martin ist eine zweite berühmte Legende überliefert. Um dem Bischofamt, das man ihm übertragen will, zu entgehen, versteckt sich Martin, der inzwischen dem Soldatenleben Lebewohl gesagt hat und sich zunächst als Einsiedler, dann als Mönch dem spirituellen Leben zuwendet, in einem Gänsestall. Doch die gackernden Gänse verraten ihn. Man erwischt ihn, er wird Bischof.

Heute ist der Verzehr hunderttausender Gänse zu Martins Ehren, oder besser gesagt, als etwas merkwürdige Revanche an den Gänsen, gute, alte Tradition. Und in vielen österreichischen Gemeinden spricht man beim so genannten "Martinsfeuer" sehr heftig dem Glühwein zu. Wir feiern also ausgerechnet den Mann, der Zeit seines Lebens asketisch gelebt hat, indem wir besonders gut essen und trinken. Ich glaube, Martin würde uns auch das nachsehen. Sofern sich die, die in seinem Namen zusammenkommen, dessen bewusst sind, dass sie eine Ideologie, eine Weltanschauungen miteinander teilen - sie heißt Christ sein.

Service

Niki Glattauer, "Flucht", Verlag Tyrolia

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Bartolomé de Selma y Salaverde/ca 1595 - nach 1638
Album: KLINGENDE KOSTBARKEITEN AUS TIROL/37
Titel: Canzoni fantasie e correnti da suonar: Canzon quarta à 4 (Nr. 49, 50)
Ausführende: ARS ANTIQUA AUSTRIA: Solist/Solistin: Gunar Letzbor, Violine 1 und Leitung
Solist/Solistin: Ilia Korol, Violine 2 und Schlagwerk
Solist/Solistin: Christoph Urbanetz /Gambe
Solist/Solistin: Jan Krigovský /Violone
Solist/Solistin: Michael Oman Thomas Engel Blockflöte
Solist/Solistin: Katalin Sebella /Fagott
Solist/Solistin: Hubert Hoffmann /Laute
Solist/Solistin: Daniel Oman /Langhalslaute
Solist/Solistin: Pierre Pitzl /Barockgitarre
Solist/Solistin: Norbert Zeilberger /Cembalo und Orgelpositiv
Solist/Solistin: Maria Erlacher /Sopran
Länge: 02:00 min
Label: ITMF 2005

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