Love conquers all, Kreide auf dem Boden

AP/JAE C. HONG

Radiokolleg - Ja sagen zur Welt

Lob des Optimismus
(2). Gestaltung: Nikolaus Halmer

Kriegsverbrechen, terroristische Attentate in europäischen Metropolen, zahllose Flüchtlinge vor der "Festung Europa" - das sind nur einige der aktuellen dominanten Themen, über die Medien berichten. Angesichts der täglichen Hiobsbotschaften stellt sich die Frage, ob eine optimistische Grundhaltung überhaupt eine Berechtigung hat.

Die Literaturwissenschafterin Sandra Richter antwortet darauf in ihrem Buch "Lob des Optimismus" mit einem eindeutigen Ja. Sie meint aber keineswegs einen platten Optimismus, der kritische Einwände ignoriert, sondern einen reflektierenden Optimismus, der zu einer positiven Auseinandersetzung mit zentralen Problemen der Gegenwart motiviert. Sie wendet sich gegen den "apokalyptischen Spießer" - so der Zukunftsforscher Matthias Horx - der als ein angepasster, veränderungsunwilliger Charakter persönliches Engagement ablehnt, weil er doch in "der schlechtesten aller Welten lebt". Dieses Argument dient ihm als Vorwand, passiv in seinem Schneckenhaus zu verweilen.

Der Gegenspieler des "apokalyptischen Spießers" war der Philosoph, Mathematiker und Ingenieur Gottfried Wilhelm Leibniz. Er strebte in seiner Philosophie ein "Sein im Optimum" an und plädierte für die sogenannte "prästabilierte Harmonie". Sie zeichnet sich durch eine Überfülle, durch ein Verlangen nach Glückseligkeit, durch ein "großes Ja Sagen zur Welt" aus. Die optimistische Philosophie von Leibniz bezog auch das Allgemeinwohl mit ein. Er machte sich Gedanken über die Einrichtung von Waisenhäusern, die kostenlose medizinische Versorgung von Armen und eine Rentenversicherung. Er entwarf auch eine eigene "Damenphilosophie", in der Leibniz für eine gewisse Emanzipation der Frauen plädierte.

Ein großes Ja Sagen zum Leben findet sich auch bei Friedrich Nietzsche, der sich in seinem philosophischen Werk gegen den Pessimismus von Arthur Schopenhauer wendet. Das Ja sagen ist für Nietzsche eng mit der Ausbildung eines Lebensstils verbunden, der die Formgebung des eigenen Lebens betreibt. Diese Formgebung erfordert Disziplin; man muss ständig an sich arbeiten, um "das Sein im Optimum" zu erreichen, also einen Zustand, in dem das Individuum im Einklang mit sich und der Welt ist. Es genügt jedoch nicht, im Sinne von Michel Foucault - nur die Sorge um sich zu entfalten; es bedarf auch der Sorge um die Mit- und Umwelt. Gefragt ist ein verantwortungsvoller "homo optimisticus", der angesichts des menschlichen Leids Solidarität und Mitgefühl entwickelt und bereit ist, sich zu engagieren. Das wäre eine wesentliche Voraussetzung, um die Apathie des "apokalyptischen Spießers" zu überwinden und somit zur Verbesserung der Welt beizutragen.

Service

Literaturhinweise:

Manfred Geier: Leibniz oder Die beste der möglichen Welten, rowohlt rotation 2016, e-book

Matthias Horx: Anleitung zum Zukunftsoptimismus. Warum die Welt nicht schlechter wird, Campus Verlag

Volker Gerhardt: Pathos und Distanz, Studien zur Philosophie Friedrich Nietzsches, Reclam Verlag

Alexander Pope: Vom Menschen, Felix Meiner Verlag

Hans Poser: Leibniz´ Philosophie. Über die Einheit von Metaphysik und Wissenschaft, Felix Meiner Verlag

Pierre-Joseph Proudhon: System der ökonomischen Widersprüche oder Philosophie des Elends, Herausgegeben von Lutz Roemheld und Gerhard Senft, Karin Kramer Verlag

Sandra Richter: Lob des Optimismus, Geschichte einer Lebenskunst, C.H. Beck Verlag

Earl of Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper: Ein Brief über den Enthusiasmus. Die Moralisten, Felix Meiner Verlag

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