Radiokolleg - Die goldene Ära der Virtuosen

Von Teufelsgeigern und Tastenrittern
(2). Gestaltung: Verena Gruber

Die goldene Ära der Virtuosität fällt in die Zeit der Romantik. Virtuosen waren im 19. Jahrhundert Musiker (und gleichzeitig Komponisten), die Höchstleistungen vollbrachten, dem Geniebegriff und dem Starkult zu einer ersten Ausprägung verhalfen, auf ständiger Suche nach Optimierung und Perfektionierung waren, ausgedehnte Konzertreisen kreuz und quer durch Europa unternahmen und sich im Wettkampf maßen. Die Romantik brachte eine Unzahl von Virtuosen und Virtuosinnen hervor: Franz Liszt, Frederic Chopin, Friedrich Kalkbrenner, John Field, Heinrich Wilhelm Ernst, Joseph Joachim sowie Clara Schumann und Marie Jaell und viele andere. Alle wurden zu Lebzeiten verehrt, doch nicht alle genießen heute denselben Bekanntheitsgrad.

Unzertrennlich verbunden mit dem Begriff der Virtuosität ist der italienische Geiger und Komponist Niccoló Paganini. Er ist der Virtuose schlechthin! 1782 in Genua geboren, galt er als Teufelsgeiger und war wohl der erste Superstar der Musikgeschichte. Vom Vater wurde er zum Wunderkind gedrillt, entwickelte dann überwiegend autodidaktisch seine einzigartige Technik und revolutionierte das Geigenspiel wie keiner vor oder nach ihm. Nach einigen Jahren als Konzertmeister in Lucca war er fast ununterbrochen auf Tournee in Europa. Bereits zu Lebzeiten verselbstständigten sich die Gerüchte über ihn: Er galt als "Hexenmeister", der einen Pakt mit dem Teufel eingegangen war. Das Spiel mit der Selbstinszenierung beherrschte er bis zur Perfektion. Bereits sein Erscheinungsbild hatte etwas Dämonisches: Er war hager, ging gebeugt, trug sein Haar wirr und seine Konzertkleidung schwarz. Zeitgenossen berichteten, dass die Frauen reihenweise in Ohnmacht fielen und der Saal tobte, während Paganini wie besessen auf der Bühne spielte und Saiten und Bogenhaare zerriss.

Verena Gruber beleuchtet in ihrer "Radiokolleg"-Reihe kulturelle, musikwissenschaftliche und soziologische Aspekte der goldenen Ära der Virtuosen, indem sie eine begriffliche Bestimmung vornimmt, in einem historischen Abriss die ersten Virtuosen der Musikgeschichte analysiert und sich dann ausführlich der Hochphase des Virtuosentums im 19. Jahrhundert widmet. Außerdem wendet sich die vierteilige Reihe auch den (heute) weniger bekannten Virtuosen und den Virtuosinnen zu, erklärt wie Gerüchte und Legenden rund um Virtuosen entstehen, erzählt, wie ganze Menschenmassen in Trance versetzt worden sind, was es mit dem Wettkampf auf sich hat und wie gefährlich die Grenze zur Hohlheit beim Virtuosentum ist. Das Portrait über Niccoló Paganini im vierten Teil der Reihe ist in Paganinis Heimatstadt Genua entstanden.

Neben ausgewiesenen Musikexperten zu den einzelnen Themen, kommen auch heutige Virtuosen auf der Geige oder dem Klavier zu Wort.

Service

Links:

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Genua

Museen in Genua

Literatur:

Virtuosität in Musik und Magie: Niccolò Paganini und Johann Nepomuk Hofzinser, von Vahid Khadem-Missagh, hg. von Cornelia Szabó-Knotik, Hollitzer Verlag 2016 (Musikkontext 10).

Paganini: The 'demonic' Virtuoso , von Mai Kawabata, Boydell Press 2013.

Niccoló Paganini: Biographie, von Edward Neill, List 1990.

Sendereihe

Gestaltung

  • Verena Gruber

Playlist

Komponist/Komponistin: Niccolo Paganini
Album: NICCOLO PAGANINI: Gesamtwerk für Violine und Gitarre, Viola und Gitarre und Mandoline und Gitarre
Titel: Variazioni sulla "Carmagnola" per violino e chitarra
* Largo - Allegro. Tema - 14 variazioni
Solist/Solistin: Marco Fornaciari /Violine
Solist/Solistin: Adriano Sebastiani /Gitarre
Länge: 14:10 min
Label: fone 93F08/6 (2CD)

Komponist/Komponistin: Niccolo Paganini
Bearbeiter/Bearbeiterin: Salvatore Accardo
Titel: Konzert für Violine und Orchester Nr.3 in E-Dur
* Polacca. Andantino vivace - 3.Satz (00:11:30)
Violinkonzert
Solist/Solistin: Salvatore Accardo /Violine
Orchester: London Philharmonic Orchestra
Leitung: Charles Dutoit
Länge: 11:40 min
Label: DG 4233702

Komponist/Komponistin: Niccolo Paganini
Gesamttitel: 24 Capricci für Solovioline op.1
Titel: Capriccio für Violine op.1 Nr.24 in a-moll
Capricen
Solist/Solistin: Julia Fischer /Violine
Länge: 04:28 min
Label: Decca 4782274

Komponist/Komponistin: Niccolo Paganini
Bearbeiter/Bearbeiterin: Salvatore Accardo
Titel: Konzert für Violine und Orchester Nr.3 in E-Dur
* Polacca. Andantino vivace - 3.Satz (00:11:30)
Violinkonzert
Solist/Solistin: Salvatore Accardo /Violine
Orchester: London Philharmonic Orchestra
Leitung: Charles Dutoit
Länge: 11:40 min
Label: DG 4233702

Komponist/Komponistin: Niccolo Paganini
Gesamttitel: 24 Capricci für Solovioline op.1
Titel: Capriccio für Violine op.1 Nr.6 in g-moll
Capricen
Solist/Solistin: Julia Fischer /Violine
Länge: 05:58 min
Label: Decca 4782274

Komponist/Komponistin: Niccolo Paganini
Komponist/Komponistin: Robert Schumann
* 15. Posato (00:02:33)
Titel: 24 Capricen für Violine allein op.1 mit Klavierbegleitung von Robert Schumann
Solist/Solistin: Benjamin Schmid /Violine
Solist/Solistin: Lisa Smirnova /Klavier
Länge: 02:41 min
Label: CD MDG 33306742

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