Matinee

29. Jänner 2017, 11:03

Über Anton Bruckners Verhältnis zu den Frauen ist viel gewitzelt worden. Man zeichnet gern das Bild des verklemmten Hagestolzes, dessen Heiratswunsch zeitlebens unerfüllt blieb und der an Tagen, wenn er zur Beichte ging, den Kontakt mit dem weiblichen Geschlecht tunlichst vermied: Vorsichtshalber hatte er dann immer einen weissen Wollhandschuh bei sich, um gewappnet zu sein, falls sich eine Berührung beim Händereichen nicht vermeiden liess. Im Grunde seines Herzens aber war Bruckner dem weiblichen Geschlecht durchaus zugetan. Davon kündet auch seine Achte Sinfonie, deren langsamer Satz wohl von seiner Liebe zu der Wiener Gesangsstudentin Marie Demar inspiriert wurde, mitsamt einer Anspielung auf Wagners Tristan und Isolde. Dieses musikalische Liebesdrama hatten der Komponist und seine "liebenswürdigste, edelste Freundin Fräulein Marie" mehrfach gemeinsam an der Wiener Hofoper besucht. Bruckner selbst bezeichnete die Achte als sein "Mysterium". Vielleicht hat er diesen Begriff ja gar nicht auf eine spirituelle Erfahrung, sondern auf ein ganz profanes Herzensgeheimnis bezogen.
(Lucerne Festival)

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