Marcel Odenbach

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Intermezzo - Künstlerinnen und Künstler im Gespräch

Eskapismus in der Alpenfestung, Afrikaner im Louvre
Marcel Odenbach zu Gast bei Christine Scheucher

In seinen Videoinstallationen und Collagen befasst sich der deutsche Künstler Marcel Odenbach mit den Mechanismen der Erinnerungsarbeit. Odenbach erkundet die Architektur und Geschichte von Gedenkstätten und fragt, wer die Deutungshoheit hat.

Mit der Geschichte und ihrer Deutung befasst sich Odenbach auch in seinen Collagen, die auf den ersten Blick einfache Sujets darstellen, aber aus zahlreichen historischen Zeitungsartikeln und Archivmaterial zusammengesetzt sind. Odenbachs Collagen sind Suchbilder, die aus der Nähe betrachtet in viele Einzelteile zerfallen. Unschwer erkennt man darin eine Metapher für die Geschichtsschreibung, die aus der chaotischen Vielzahl der Fakten eine einheitliche Erzählung konstruiert.

Die Collage "Die gute Stube" zeigt auf den ersten Blick ein biederes Wohnzimmer. Konkret: Eine Innenansicht von Hitlers Berghof am Obersalzberg. Dort verschanzt sich Hitler und führt das vermeintlich beschauliche Leben eines Kleinbürgers, während die Welt rundherum in Stücke bricht. "Er hat ja die letzten Jahre praktisch nur noch dort verbracht und in der Einöde die Fassade einer heilen Welt geschaffen", so Marcel Odenbach.

Doch Odenbach nimmt nicht nur die deutsche Vergangenheit in den Blick. Er interessiert sich auch für die europäische Geschichte, genauer die europäische Kolonialgeschichte. Ausgangspunkt von Odenbachs Recherchen sind ausgedehnte Afrikareisen, die er künstlerisch verarbeitet. Vor allem die Videoarbeit "Im Schiffbruch nicht schwimmen können" aus dem Jahr 2011, in der Odenbach drei afrikanische Flüchtlinge in den Louvre begleitet, ist hochaktuell und wirkt wie ein Kommentar zur gegenwärtige Migrations- und Flüchtlingsdebatte.

Service

Kunsthalle Wien - Marcel Odenbach, bis 30.4.2017

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