Das Ö1 Konzert

Richard Strauss: "Also sprach Zarathustra"

London Symphony Orchestra, Dirigentin Susanna Mälkki; Christian Tetzlaff, Violine. Johannes Brahms: Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 77 | Richard Strauss: Also sprach Zarathustra op. 30 (Tondichtung frei nach Friedrich Nietzsche); (aufgenommen am 15. März in der Barbican Hall, London).
Präsentation: Peter Kislinger

Richard Strauss: Also sprach Zarathustra

Mit einem gewaltig tönenden Sonnenaufgang beginnt die Tondichtung "Also sprach Zarathustra" von Richard Strauss. Seine Absicht war 1896 nicht, wie er schrieb, "Philosophie in Musik umzusetzen, stattdessen eine Abstammungsidee der Menschenrasse von ihrem Ursprung durch die verschiedenen religiösen sowie wissenschaftlichen Entwicklungsphasen bis zu Nietzsches Übermenschen-Idee zu vollziehen".

Es folgt ein Besuch bei den "Hinterweltlern", jenen, die es sind und solchen, die immer noch eine Welt hinter der Welt brauchen, um ihre (Un-)Taten zu rechtfertigen oder von der Existenz eines Wortes - Einhorn, Odradek, Gott - auf die notwendige Existenz eines Etwas schließen. Sie singen den "Cantus planus", ihr Credo, von den gestopften Hörnern spöttisch kommentiert. Die "kränklichen Menschen" erfinden sich eine Figur, sehnen sich nach einem Papa, der es schon richten wird; die Orgel mischt sich ein und mischt mit, der Gesang wird "mit Inbrunst" angestimmt.

Es ist ja nicht so, dass der Pastorensohn Nietzsche, dass Zarathustra und Strauss das Bedürfnis der "geschundenen Kreatur" nach "hinterweltlerischem" Trost, Tröstungen und Hoffnungen nicht verstünden: So spricht die Soloviola von der "großen Sehnsucht".

Es folgen "die Freuden und Leidenschaften", das "Grablied", das Spottlied "Von der Wissenschaft", nach innerer Krise der "Genesende" und das ekstatische "Tanzlied": Nur an einen Gott würde er glauben können, der zu tanzen wüsste, ruft Zarathustra aus, ungetröstet von den metaphysischen Heilsversprechungen, heroisch auf sich selbst gestellt: "Ecce homo. Wie man wird, was man ist." Mit dem "Nachtwandlerlied" klingt die Tondichtung in den Tiefen der Bässe fragend, grummelnd, zweifelnd aus.

Nietzsches Übermensch ist nicht Superman

An eine einzelne Erlöserfigur oder eine "Herrenrasse" hat Nietzsche nicht gedacht - und Strauss, so deutet der keineswegs triumphale Schluss seiner Komposition an, auch nicht. "Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Tier und Übermensch, - ein Seil über einem Abgrunde." Der "Über-Mensch" ist, wie Strauss richtig erkannte, eine "Idee" wahrer Menschlichkeit, Nietzsches Antwort auf die Gefahr des Nihilismus nach der Zurückweisung religiöser und ethischer Regeln. Der "Über-Mensch" ist kein Tyrann, kein Vertreter einer "Herrenrasse", der andere unterwirft. Zarathustras "Über-Mensch" sollte aus der Großzügigkeit seiner gebändigten Leidenschaften handeln, ein "Römischer Cäsar mit der Seele des Christus", kein Spielball des Schicksals, der Götter oder eines Gottes. Einen historischen "Über-Menschen" hat es für Nietzsche nicht gegeben, wohl aber Vorbilder, deren Sätze oder Taten jedoch nicht kopiert werden können, weil ja jeder "Herr" und "Dichter seines Lebens" werden soll und kann: Sokrates, Jesus, Julius Caesar, Leonardo da Vinci, Michelangelo, Montaigne, Shakespeare, Goethe, Napoleon, Schopenhauer, und - für Nietzsches Denken besonders wichtig - der amerikanische "Transzendentalist" Ralph Waldo Emerson, dessen "Oversoul" im "Übermenschen" anklingt. Zentral für Emerson und Nietzsche waren Entwicklung und Selbstüberwindung. Für Emerson war die intellektuelle und "seelische" Entwicklung der Maßstab für die Öffnung gegenüber "Oversoul". Folglich verwenden englischsprachige Nietzsche-Publikationen eher "Overman" als "Superman", um Assoziationen mit der Comicfigur zu vermeiden.

Service

Literatur: James Conant, Friedrich Nietzsche. Perfektionismus & Perspektivismus. Konstanz University Press, Konstanz 2014; ISBN 9783862530427

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Johannes Brahms/1833 - 1897
Titel: Konzert für Violine und Orchester in D-Dur op.77
Violinkonzert
* Allegro non troppo - 1.Satz
* Adagio - 2.Satz
* Allegro giocoso, ma non troppo vivace; Poco piu presto - 3.Satz
Solist/Solistin: Christian Tetzlaff /Violine
Orchester: London Symphony Orchestra
Leitung: Susanne Mälkki
Länge: 37:18 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach/1685 - 1750
Titel: Sonate für Violine Nr.3 in C-Dur BWV 1005
* Largo - 3.Satz (00:03:13)
Violinsonate
Solist/Solistin: Christian Tetzlaff /Violine
Länge: 03:27 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Richard Strauss / /1864 - 1949
Titel: Also sprach Zarathustra. Tondichtung für großes Orchester (frei nach Friedrich Nietzsche)
* (Einleitung)/Introduciton /1.Satz
* Von den Hinterweltlern /2.Satz
* Von der großen Sehnsucht /3.Satz
* Von den Freuden und Leidenschaften /4.Satz
* Das Grablied /5.Satz
* Von der Wissenschaft /6.Satz
* Der Genesende /7.Satz
* Das Tanzlied /8.Satz
* Nachtwanderlied /9.Satz
Orchester: London Symphony Orchestra
Leitung: Susanna Mälkki
Länge: 33:22 min
Label: EBU

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